Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
Beinen war und Nicholas dann noch das Abendessen machen musste, dann konnte ich mich anschließend nicht auch noch auf Rokokofassaden und T.S. Eliot konzentrieren. Und ich hatte Angst vor meinen Professoren, die so schnell sprachen, dass sie ihre Vorlesungen genauso gut auf Schwedisch hätten halten können.
    Überdies verfügten die meisten meiner Kommilitoninnen bereits über eine gewisse Bildung oder hatten sogar schon einen Abschluss. Und ihre Zukunft stand nicht auf dem Spiel, wie das bei mir der Fall war. Ich wusste, dass ich neun Jahre bis zu meinem College-Abschluss brauchen würde, und ich konnte mir einfach nicht genügend Kurse leisten, weder finanziell noch zeitlich. Ich habe Nicholas nie etwas davon erzählt, aber ich habe ein F für die einzige Hausarbeit bekommen, die ich je geschrieben habe. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob es in Architektur oder Literatur gewesen ist, doch die Kommentare des Professors werde ich nie vergessen: Irgendwo in diesem Mist vergraben , schrieb er, gibt es ein paar qualifizierte Ideen. Finden Sie Ihre Stimme, Mrs. Prescott. Ja, finden Sie Ihre Stimme …
    Ich redete mich irgendwie bei Nicholas heraus und gab die Kurse auf. Um mich selbst dafür zu bestrafen, dass ich derart versagt hatte, nahm ich noch einen zweiten Job an, als könnte ich so vergessen, dass mein Leben sich vollkommen anders entwickelt hatte, als ich es mir als Kind erträumt hatte.
    Aber ich hatte ja Nicholas. Und das bedeutete mehr als alle College-Abschlüsse und alle RSID-Kurse der Welt. Ich hatte mich in den letzten sieben Jahren kaum verändert – und das war einzig und allein meine Schuld –, Nicholas hingegen schon. Kurz schaute ich meinen Mann an und versuchte, mich daran zu erinnern, wie er damals gewesen war. Sein Haar war dichter gewesen, und graue Strähnen hatte er auch nicht gehabt. Und die Falten um seinen Mund waren noch nicht so tief gewesen. Doch die größte Veränderung hatten seine Augen durchgemacht. Inzwischen waren Schatten um seine Augen. Nicholas hatte mir einmal erzählt, dass auch ein Teil von ihm sterbe, wenn einer seiner Patienten starb. Daran müsse er noch arbeiten, hatte er gesagt, sonst würde irgendwann nichts mehr von ihm übrigbleiben.
*
    Der Halloween-Ball des Mass General fand schon seit Ewigkeiten im Copley Plaza statt, allerdings war es seit zehn Jahren kein Kostümball mehr, man trug Abendkleidung. Ich fand das schade. Ich hätte mich so gerne verkleidet. Als Nicholas noch Assistenzarzt in der allgemeinen Chirurgie gewesen war, waren wir einmal auf einen Kostümball im medizinischen Institut der Uni gegangen. Ich wollte, dass wir als Antonius und Kleopatra gingen oder als Cinderella und der Märchenprinz. »Nein, keine Strumpfhosen«, hatte Nicholas gesagt. »Da würde ich lieber sterben.« Schließlich waren wir als Wäscheleine gegangen. Beide hatten wir ein braunes Hemd und eine braune Hose getragen, und wir hatten uns eine weiße Schnur um den Hals gebunden und Boxershorts, Strümpfe und BHs darangehangen. Ich liebte dieses Kostüm. Wir waren im wahrsten Sinne des Wortes miteinander verbunden gewesen. Wo auch immer Nicholas hingegangen war, ich hatte ihm folgen müssen.
    Auf der Fahrt nach Boston fragte Nicholas mich ab. »David Goldmans Frau?«, fragte er, und ich antwortete: Ariadne . »Fritz van der Hoff?« Bridget . »Alan Masterson«, sagte Nicholas, und ich erwiderte, das sei eine Fangfrage, denn Alan sei seit einem Jahr geschieden.
    Wir fuhren von der Mass Pike herunter und hielten an der Ecke zur Dartmouth. Wir hatten den Copley Square erreicht, der an Halloween in allen Farben strahlte. Neben dem Wagen standen Charlie Chaplin, ein Zigeuner und Bugs Bunny. Sie streckten die Hände aus, als wir anhielten, doch Nicholas schüttelte den Kopf. Ich fragte mich, was die drei wohl erwartet und was andere gegeben hatten. Ein lautes Klopfen am Fenster schreckte mich auf. Direkt neben uns stand ein Mann in Kniehose und Weste, dessen Hals in einem blutigen Stumpf endete. Unter dem rechten Arm trug er einen Kopf. »Bitte, entschuldigen Sie«, sagte der Enthauptete, und ich glaube, der Kopf lächelte, »ich habe wohl den Kopf verloren.« Ich starrte den Mann noch immer an, als Nicholas wieder Gas gab.
    Obwohl sich mehr als dreihundert Menschen im Großen Ballsaal des Copley Plaza Hotels versammelt hatten, fiel Nicholas auf. Er gehörte zu den Jüngsten hier, und er zog die Aufmerksamkeit auf sich, weil er es in so kurzer Zeit schon so weit gebracht

Weitere Kostenlose Bücher