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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Art von Leben gestolpert war.
    Einer der anderen Ärzte am Tisch drehte sich während des Essens zu mir um. »Ich habe das ganz vergessen …«, sagte er. »Was machen Sie noch mal?«
    Ich starrte auf meinen Teller und wartete darauf, dass Nicholas zu meiner Rettung eilte, doch er sprach mit jemand anderem. Wir hatten darüber geredet und waren übereingekommen, dass niemand wissen sollte, wo ich arbeitete. Das sei ihm zwar nicht peinlich, hatte Nicholas mir versichert, doch in dieser Gesellschaft gelte es, ein gewisses Image zu wahren. Arztfrauen sollten Rotary-Tafeln enthüllen und keine Hamburger servieren. Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf und antwortete im piepsigen Tonfall der anderen Frauen: »Oh, ich ziehe durch die Stadt und breche Herzen, damit mein Mann auf der Arbeit etwas zu tun hat.«
    Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis jemand etwas sagte, und ich spürte, wie meine Hände unter dem Tisch zu zittern begannen und Schweiß sich in meinem Nacken sammelte. Dann hörte ich Lachen wie zersplitterndes Glas. »Wo haben Sie die denn gefunden, Prescott?«
    Nicholas unterbrach sein Gespräch und drehte sich zu dem Mann um. Ein lässiges Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. »Beim Kellnern«, antwortete er.
    Ich war wie erstarrt. Alle am Tisch lachten. Sie nahmen an, Nicholas habe einen Scherz gemacht. Dabei hatte er genau das gesagt, worüber wir nicht sprechen wollten. Ich starrte ihn an, doch er lachte auch. Ich stellte mir die Frauen der anderen Ärzte vor, wie sie mit ihren Männern nach Hause fuhren und sagten: Nun, das erklärt vieles. »Bitte, entschuldigen Sie mich«, sagte ich und schob den Stuhl zurück. Meine Knie zitterten, doch langsam ging ich zur Toilette.
    Mehrere Frauen waren dort, doch niemand, den ich kannte. Ich schlüpfte in eine Kabine und setzte mich auf den Rand der Klobrille. Ich zerknüllte etwas Klopapier in meiner Hand, denn ich rechnete mit Tränen, aber sie kamen nicht. Was zum Teufel hatte mich nur dazu bewegt, mich an das Leben eines anderen zu hängen, anstatt mein eigenes zu leben, und dann merkte ich, dass ich mich übergeben musste.
    Anschließend war ich innerlich leer. Ich hörte das Echo des Blutes, das durch meine Adern floss. Die anderen Frauen starrten mich an, als ich die Kabine verließ, doch niemand fragte mich, ob ich in Ordnung sei. Ich spülte mir den Mund mit Wasser aus und trat auf den Flur hinaus, wo Nicholas auf mich wartete, und ich muss ihm zugutehalten, dass er besorgt aussah. »Bring mich nach Hause«, sagte ich. »Sofort.«
    Wir sprachen auf der Fahrt nicht miteinander, und als wir unser Haus erreichten, drängte ich mich an ihm vorbei, lief ins Badezimmer und übergab mich erneut. Als ich schließlich den Blick wieder hob, stand Nicholas in der Tür. »Was hast du gegessen?«, fragte er.
    Ich wischte mir das Gesicht mit einem Handtuch ab. Mein Hals war rau und brannte. »Das ist das zweite Mal heute Nacht«, erklärte ich ihm und beschloss, von nun an zu schweigen.
    Nicholas ließ mich allein, während ich mich auszog. Als er wieder zurückkam, legte er Fliege und Kummerbund über die Fußbank, und sie schienen sich im wabernden Licht des Mondes wie Schlangen zu winden. Nicholas saß auf der Bettkante. »Du bist doch nicht wütend, oder, Paige?«
    Ich schlüpfte unter die Decke und kehrte ihm den Rücken zu. »Du weißt, dass ich mir nichts dabei gedacht habe«, sagte er. Er legte sich neben mich und hielt meine Schulter. »Das weißt du doch … oder?«
    Ich straffte die Schultern und verschränkte die Arme. Ich würde nicht sprechen, nahm ich mir fest vor. Und als ich Nicholas’ regelmäßigen Atem hörte, ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Sie brannten wie heißes Quecksilber auf meinen Wangen und fraßen sich ins Kissen.
*
    Wie immer stand ich um 04.30 Uhr auf, machte Nicholas Kaffee für unterwegs und packte ihm etwas für zwischendurch ein, denn ich wusste, dass er das zwischen den Operationen gut gebrauchen konnte. Nur weil mein Mann ein Arschloch war, sagte ich mir selbst, mussten die Patienten ja nicht darunter leiden. Er kam mit zwei Krawatten die Treppe herunter. »Welche soll ich nehmen?«, fragte er und hielt sie sich an den Hals. Ich drängte mich an ihm vorbei und ging nach oben. »Oh, um Himmels willen, Paige«, murmelte er, und dann hörte ich, wie er die Tür hinter sich zuknallte.
    Ich lief ins Badezimmer und kotzte. Diesmal war ich anschließend so benommen, dass ich mich hinlegen musste. Also legte ich mich hin, direkt

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