Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
gefahren, in eine zwielichtige Bar, wo er sechs Gläser Jack Daniels und zwei Heineken in sich hineingekippt hatte. Dann hatte er noch eine Flasche J&B vom Barmann gekauft und war mit der Flasche auf dem Beifahrersitz nach Hause gefahren. Immer wieder hatte er sich auf der Fahrt einen Schluck genehmigt und gehofft, erwischt zu werden.
    »Oh, Nicholas«, sagte Paige. Sie stand auf und schlang die Arme um ihn. Ihre Hände waren verklebt, und Nicholas fragte sich, wie sie dieses riesige Ding ganz allein in den wackeligen Christbaumständer bekommen hatte. Er starrte in ihr weißes Gesicht. Dünne Messingreifen baumelten an ihren Ohren. Er hatte noch nicht einmal gewusst, dass bald Weihnachten war.
    Nicholas fiel im selben Augenblick nach vorne, als Paige die Arme um ihn schlang. Sie geriet unter seinem Gewicht ins Taumeln, half ihm auf den Boden und warf dabei die Schüssel mit den Preiselbeeren um. Nicholas zerquetschte ein paar davon, als er sich setzte, und drückte sie in den billigen gelben Teppich. Der so entstandene Fleck erinnerte stark an Blut. Paige kniete sich neben ihn, strich ihm durchs Haar und flüsterte ihm zu, alles sei gut. »Du kannst sie nicht alle retten«, sagte sie.
    Nicholas schaute zu ihr hinauf. Verschwommen sah er das Gesicht eines Engels und den Geist eines Löwen. Er wollte, dass alles aufhörte, alles verschwand, und sich nur noch an Paige festklammern, bis die Tage miteinander verschmolzen. Er ließ die Whiskyflasche fallen und schaute zu, wie sie unter Paiges noch kahlen Weihnachtsbaum rollte. Dann zog er seine Frau zu sich herunter. »Nein«, sagte er. Er atmete ihre Reinheit ein wie Sauerstoff. »Nein, das kann ich nicht.«

K APITEL 7
    P AIGE
    Wenn ich Nicholas im Smoking sah, hätte ich alles getan, was er von mir verlangt. Das lag nicht nur an der schlanken Schulterlinie, die der Smoking noch betonte, oder dem atemberaubenden Kontrast seiner Haare zu dem schneeweißen Hemd, es war seine Präsenz. Es war, als wäre er im Smoking geboren worden. Er passte einfach perfekt zu ihm, seinem Status, seinem Adel. Er verlangte nach Aufmerksamkeit. Wäre der Smoking seine Arbeitskleidung gewesen und nicht der schlichte weiße Kittel oder die grüne OP-Kleidung, er wäre inzwischen vermutlich schon Chefarzt des Mass General.
    Nicholas beugte sich über mich und küsste meine Schulter. »Hallo«, sagte er. »Kenne ich dich nicht aus einem anderen Leben?«
    »Ja, so ist es«, erwiderte ich und lächelte ihn im Spiegel an, während ich den Ohrring festmachte. »Aus deinem Leben vor der Approbation.« Ich hatte Nicholas schon lange nicht mehr gesehen – ich meine das wörtlich. Stundenlange Operationen, Meetings und politisch notwendige Essen mit Vorgesetzten hielten ihn von mir fern. In der vergangenen Nacht hatte er Bereitschaftsdienst im Krankenhaus gehabt, und tagsüber hatte er einen dreifachen Bypass gelegt sowie eine Notoperation hinter sich gebracht, also hatte er keine Gelegenheit gehabt anzurufen. Ich war nicht sicher gewesen, ob er sich überhaupt an das Wohltätigkeitsdinner erinnerte. Ich hatte mich angezogen, war hinuntergegangen, hatte auf die Uhr geschaut und ungeduldig darauf gewartet, dass Nicholas wieder nach Hause kommen würde – wie immer.
    Ich hasste unser Haus. Es war klein, hatte einen netten Hof, und es lag in einer sehr prestigeträchtigen Gegend von Cambridge – einer Gegend, in der eine Menge Anwälte und Ärzte lebten. Als wir das Viertel zum ersten Mal besuchten, hatte ich gelacht und gesagt, die Straßen seien wohl mit altem Geld gepflastert, was Nicholas gar nicht lustig fand. Ich wusste, dass Nicholas sich trotz allem im Herzen immer noch reich fühlte. Er war viel zu lange vermögend gewesen, als dass er sich noch hätte ändern können. Und wenn man reich war – oder reich sein wollte –, dann lebte man auch auf eine bestimmte Art, meinte Nicholas.
    Also nahmen wir eine große Hypothek auf, obwohl wir auch den Studienkredit noch abbezahlen mussten. Nicholas’ Eltern baten nie um Verzeihung, obwohl Nicholas das gehofft hatte. Einmal schickten sie uns eine höfliche Weihnachtskarte, doch Nicholas hatte nichts weiter dazu gesagt, und ich hatte nicht gewusst, ob er damit seine oder meine Gefühle hatte schützen wollen. Doch obwohl die Prescotts uns jegliche Hilfe verweigerten, arbeiteten wir uns langsam in die schwarzen Zahlen zurück. Mit Nicholas’ Gehalt – endlich respektable 38 000 Dollar im Jahr – war es uns schließlich gelungen, zumindest die Zinsen

Weitere Kostenlose Bücher