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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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hatte. Die Leute wussten, dass er verhätschelt wurde, dass er der einzige junge Arzt war, den Fogerty für fähig genug hielt, eine Transplantation durchzuführen. Als wir durch die große Doppeltür traten, kamen sofort sieben Leute auf uns zu, um mit Nicholas zu reden. Ich krallte mich an seinem Arm fest, bis meine Finger weiß wurden. »Lass mich nicht allein«, bettelte ich, und ich wusste, dass Nicholas keine Versprechen machen würde, die er nicht halten konnte.
    Ich hörte Worte in einer mir inzwischen vertrauten Fremdsprache: infektiöse Endokarditis, myokardialer Infarkt, Angioplastie. Ich beobachtete Nicholas, der sich ganz in seinem Element befand, und es juckte mich in den Fingern, ihn zu zeichnen: groß, halb im Schatten, strotzend vor Selbstvertrauen. Aber ich hatte meine Zeichenmaterialien beim Umzug weggepackt, und ich wusste noch immer nicht, wo sie waren. Ich hatte seit einem Jahr nicht mehr gezeichnet. Morgens hatte ich im Mercy zu tun und nachmittags bei Dr. Thayer. Ich hatte zwar versucht, mir einen Bürojob zu beschaffen – irgendetwas im Verkauf oder im Management –, doch in Cambridge gab es dafür genug Bewerber mit einem College-Abschluss. Ich hatte nichts vorzuweisen außer Nicholas. Ich hing an seinem Rockzipfel … für den ironischerweise ich bezahlt hatte.
    »Paige!« Als ich die ungewöhnlich hohe Stimme von Arlene Goldman hörte, der Frau eines niedergelassenen Kardiologen, drehte ich mich um. Nach meiner letzten Erfahrung mit Arlene hatte ich Nicholas erklärt, dass ich es schon rein körperlich nicht ertragen könne, noch einmal einen Abend bei den Goldmans zu verbringen, und so hatten wir seitdem jede Einladung abgelehnt. Doch plötzlich war ich froh, sie zu sehen. Sie war jemand, an den ich mich klammern konnte, jemand, der mich kannte und der mein Hiersein rechtfertigen konnte. »Es ist ja so schön, dich zu sehen«, log Arlene und küsste die Luft rechts und links von meinen Wangen. »Und da ist ja auch Nicholas«, sagte sie und nickte in seine Richtung.
    Arlene Goldman war so dünn, dass sie beinahe durchsichtig wirkte. Sie hatte große graue Augen und Haar, dessen goldene Farbe aus der Flasche stammte. Sie besaß einen persönlichen Shoppingservice, und ihre größte Leistung im Leben war, dass Senator Edward Kennedy sie den Verlobungsring seiner Zukünftigen bei Shreve, Crump and Low hatte aussuchen lassen. Sie trug ein langes pfirsichfarbenes Kleid, in dem sie beinahe nackt wirkte. »Wie geht es dir, Arlene?«, fragte ich leise.
    »Entzückend«, sagte sie und winkte ein paar andere Arztfrauen herbei, die ich kannte. Ich lächelte sie der Reihe nach an, trat einen Schritt zurück und hörte mir Gespräche über Klassentreffen in Wellesley, sechsstellige Buchverkäufe und die Vorteile von wärmedämmendem Glas in Strandhäusern an.
    Arztfrauen machen alles, und zwar gleichzeitig. Sie sind Mütter, Immobilienmakler in Nantucket, Caterer und Schriftstellerinnen. Natürlich haben sie Kindermädchen, Köche und Zofen, aber sie ignorieren die Existenz dieser Leute geflissentlich. Auf Galas lassen sie stets ganz beiläufig die Namen von Berühmtheiten fallen, mit denen sie gearbeitet haben, von Orten, an denen sie gewesen sind, und von Theateraufführungen, die sie gesehen haben. Sie hängen sich Diamanten um die Hälse und schmieren sich Rouge auf die Wangen, das im Licht der Kronleuchter glitzert. Und vor allem haben sie nichts mit mir gemein.
    Nicholas steckte den Kopf in den Kreis aus Gesichtern und erkundigte sich, ob ich okay sei, er wolle mit Fogerty über einen Patienten sprechen. Die anderen Frauen drängten sich um mich. »Oh, Nick«, sagten sie, »es ist ja schon so lange her.« Dann legten sie ihre kalten Arme um mich. »Wir werden uns schon um sie kümmern, Nick«, sagten sie, und ich fragte mich, seit wann mein Mann kein Problem mehr damit hatte, ›Nick‹ genannt zu werden.
    Wir tanzten zu den Big-Band-Klängen eines Swingorchesters, dann wurden die Türen zum Bankett geöffnet. Wie immer war das Essen sehr lehrreich für mich. Es gab nach wie vor unglaublich viele Dinge, die ich nicht kannte. So war mir zum Beispiel nicht klar gewesen, dass es so etwas wie ein Fischmesser gibt. Auch wusste ich nicht, dass man Schnecken essen konnte. Ich blies auf meine Lauchsuppe, bis ich bemerkte, dass sie kalt serviert wurde. Und ich beobachtete, wie Nicholas sich mit der geübten Leichtigkeit eines Profis in dieser Gesellschaft bewegte, und ich fragte mich, wie ich in diese

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