Und dennoch ist es Liebe
ballte die Fäuste. »Ich wusste ja nicht, dass es so ein großes Opfer für dich gewesen ist, mich zu heiraten.«
Nicholas nahm sie in die Arme und strich ihr über den Rücken, bis er spürte, dass sie sich wieder entspannte. »Ich wollte dich heiraten«, sagte er. »Und außerdem«, fügte er grinsend hinzu, »habe ich nicht alles aufgegeben. Ich habe es nur erst einmal zurückgestellt. Nur noch ein paar Dinnerpartys und weniger Essen auf dem Teppich, und wir schreiben wieder schwarze Zahlen.« Er half ihr auf. »Wäre das denn wirklich so schrecklich? Ich will, dass unser Kind auch die Dinge hat, mit denen ich aufgewachsen bin. Paige, ich will, dass du wie eine Königin lebst.«
Nicholas führte sie in den Flur. »Und was ist mit den Dingen, die ich will?«, flüsterte Paige so leise, dass sie sich selbst kaum hören konnte.
*
Als sie wieder ins Wohnzimmer zurückgingen, hielt Paige sich so verkrampft an Nicholas’ Hand fest, dass ihre Fingernägel Abdrücke in seinem Fleisch hinterließen. Er sah, wie sie ihr Kinn hob. »Es tut mir ja so leid«, sagte sie. »Ich fühle mich dieser Tage nicht so wohl.« Sie stand mit der Eleganz einer Madonna da, während die Frauen ihr abwechselnd die Hände auf den Bauch legten und versuchten, das Geschlecht ihres Kindes zu erraten. Paige verabschiedete jeden ihrer Gäste an der Tür, und während Nicholas noch mit Alistair auf der Veranda den Operationsplan für den nächsten Tag besprach, ging sie wieder hinein, um abzuräumen.
Nicholas fand sie im Wohnzimmer, wo Paige Geschirr und Gläser in den Kamin warf. Er rührte sich nicht, während sie Keramik und Glas zerschmetterte, und er sah sie lächeln, als die bunten Splitter ihr vor die Füße fielen. Nicholas hatte noch nie gesehen, dass sie ihr eigenes Werk zerstörte. Selbst kleine Kritzeleien auf dem Notizblock neben dem Telefon wurden für gewöhnlich sorgfältig in einen Ordner gesteckt. Doch Paige zerschlug einen Teller nach dem anderen, Glas auf Glas, und dann entzündete sie das Feuer unter den Bruchstücken. Sie stand vor dem Feuer, und die Flammen warfen tanzende Schatten auf ihr Gesicht, während die Farben und Formen auf dem Geschirr sich mit Ruß überzogen. Und dann drehte sie sich zu Nicholas um, als hätte sie die ganze Zeit über gewusst, dass er dort stand.
Als er seiner Frau in die Augen sah, ergriff Nicholas die Angst. Er hatte diesen Ausdruck früher schon einmal gesehen. Damals war er fünfzehn gewesen und das erste und einzige Mal mit seinem Vater jagen gegangen. Sie waren durch den frühmorgendlichen Nebel von Vermont gezogen, und Nicholas hatte einen Rehbock entdeckt. Er hatte seinem Vater auf die Schulter getippt, wie der es ihm beigebracht hatte, und zugesehen, wie Robert Prescott sein Gewehr gehoben hatte. Der Rehbock war ein gutes Stück entfernt gewesen, dennoch hatte Nicholas allein schon am Zittern des Gehörns erkennen können, dass das Tier bereits kein Leben mehr in den Augen hatte.
Nicholas wich einen Schritt zurück. Seine Frau zeichnete sich vor dem Feuer ab, und ihre Augen waren die eines in die Enge getriebenen Tiers.
K APITEL 10
P AIGE
Überall in der Küche lagen Reiseprospekte. Eigentlich hätte ich mich der Familienplanung widmen, das Kinderzimmer streichen und Spielzeug kaufen sollen. Doch stattdessen war ich wie besessen von Orten, an denen ich noch nie gewesen war. Die bunten Prospekte und Kataloge überspannten die Arbeitsplatte wie ein Regenbogen und tauchten die Fensterbänke in Blau, Grün und Gold. Es war alles vertreten, von der geführten Bildungsreise bis hin zum Abenteuerurlaub.
Nicholas wurde allmählich ärgerlich. »Was zum Teufel ist das denn?«, wollte er wissen und wischte die Hefte vom Ceranfeld.
»Ach«, log ich, »das ist nur Junkmail.«
Aber das war es nicht. Ich hatte mir die Kataloge und Prospekte bestellt – ein Dollar hier, fünfzig Cent da – und so die Sicherheit gehabt, dass ich jeden Tag ein neues Reiseziel in der Post haben würde. Ich las die Prospekte von vorne bis hinten und ließ mir die Namen der Städte und Orte auf der Zunge zergehen: Dordogne, Pouilly-sur-Loire, Verona und Helmsley, Sedona und Banff, Bhutan, Manaslu, der Ghoropani-Pass. All das waren Reisen, die für Schwangere undenkbar waren. Bei den meisten musste man viel wandern oder Rad fahren, und für einige waren Impfungen erforderlich. Ich glaube, ich las all diese Prospekte, weil sie genau das heraufbeschworen, was ich nicht tun konnte. Ich legte mich in meiner
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