Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
blass, leicht taumelnd, aber immer noch schön. Ihr Haar war während der Schwangerschaft immer dicker geworden und bedeckte nun ihre Schulter wie ein schimmernder, dunkler Schal. Ihre blaue Seidenbluse schmiegte sich an ihren Rücken und ihre Brüste und wurde dann nach unten hin weiter, sodass nur Nicholas wusste, was sich darunter verbarg. Ihre schwarze Hose wurde von einer Sicherheitsnadel zusammengehalten, doch zum Glück konnte man auch das nicht sehen. Joan Fogerty flog sofort zu Paige und legte ihr die Hand auf den Bauch. »Man sieht es ja noch nicht einmal!«, rief sie, und Paige funkelte Nicholas wütend an.
    Nicholas lächelte und zuckte mit den Schultern. Was hätte ich denn tun sollen? , sollte das heißen. Er wartete, bis Paige den Blick wieder senkte, dann führte er Alistair ins Wohnzimmer und entschuldigte sich für den Platzmangel.
    Paige servierte den Fogertys, den Russos, den van Lindens und den Walkers Dinner. Sie hatte ein paar von Lionels Geheimrezepten nachgekocht: eine feine Erbsensuppe, Roastbeef, neue Kartoffeln und glasierte Karotten. Nicholas schaute zu, wie sie sich von Gast zu Gast bewegte und leise mit ihnen sprach, während sie die Teller mit Spinatsalat auffüllte. Nicholas kannte seine Frau gut. Sie hoffte, wenn sie die Teller nur schnell genug nachfüllte, würde niemand bemerken, dass die Gedecke nicht zueinander passten.
    Paige war in der Küche und stellte den Hauptgang zusammen, als Renee Russo und Gloria Walker die Köpfe zusammensteckten und miteinander tuschelten. Nicholas war mitten in einer Diskussion mit Alistair über immunosuppressive Medikamente und ihre Wirkung auf transplantiertes Gewebe, aber mit halbem Ohr hörte er auch den Frauen zu. Immerhin war das hier sein Heim. Was auch immer bei der ersten Dinnerparty hier geschah, konnte ihn ebenso in der Hierarchie des Krankenhauses aufsteigen lassen wie ein brillanter Fachaufsatz … oder eben auch nicht. »Ich wette«, sagte Renee, »sie hat ein Vermögen dafür bezahlt.«
    Gloria nickte. »Ich habe etwas Ähnliches bei The Gifted Hand gesehen.«
    Nicholas sah nicht, wie Paige hinter ihm den Raum betrat, so fasziniert war er von dem Getuschel. »Das ist jetzt so richtig in. Das muss man einfach haben.« Gloria sah Paige in der Tür stehen und lächelte sie verkrampft an. »Oh, Paige«, sagte sie, »wir haben gerade dein Geschirr bewundert.«
    Und plötzlich ließ Paige das Roastbeef auf den hellen Teppich fallen, und das Fleisch rollte durch sein eigenes Blut.
*
    In dem Jahr, als Nicholas sieben war, trennten sich seine Eltern nicht . Stattdessen normalisierte sich Nicholas’ Leben und das seiner Eltern nur eine Woche nach dem Red-Sox-Spiel auf wundersame Weise wieder. Drei Tage lang aß Nicholas alleine am Küchentisch, während sein Vater Dewar’s in der Bibliothek trank und seine Mutter sich in der Dunkelkammer versteckte. Wenn er durch die Flure ging, hörte er nur das Echo seiner eigenen Schritte. Am vierten Tag hörte er Hämmern und Sägen im Keller, und da wusste er, dass seine Mutter einen Rahmen bastelte. Sie hatte das auch früher schon getan, um ihre Originale aufzuhängen wie zum Beispiel die berühmte Serie ›Vom Aussterben bedroht‹, die nun verstreut im Foyer und im Treppenhaus hing. Sie sagte immer, sie würde ihre Abzüge nicht in irgendeinem zweitklassigen Laden zum Rahmen geben, und so griff sie selbst zu Holz, Nägeln und Leinwand. Nicholas saß stundenlang am Fuß der Haupttreppe und rollte einen Basketball über seine nackten Zehen. Dabei wusste er ganz genau, dass er den Basketball nicht mit ins Haus nehmen durfte, aber schließlich war niemand da, der es ihm hätte verbieten können.
    Als seine Mutter wieder aus dem Keller heraufkam, trug sie einen gerahmten Abzug unter dem rechten Arm. Sie huschte an Nicholas vorbei, als wäre er nicht da, und sie hängte das Foto oben an die Treppe, in Augenhöhe, wo jeder es sehen würde. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, ging in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Es war ein Foto der Hände seines Vaters, groß und rau vom Arbeiten, mit den stumpfen Fingernägeln eines Chirurgen und spitzen Knöcheln. Darüber lagen die Hände seiner Mutter, kalt und glatt. Beide Händepaare waren sehr dunkel, fast nur Silhouetten vor einem hellen weißen Licht. Das einzig Detaillierte auf dem Bild waren die Hochzeitsringe. Sie schimmerten und funkelten und schienen förmlich im Schwarz zu schwimmen. Das Besondere an dem Foto war jedoch die Art, wie

Weitere Kostenlose Bücher