Und der Basilisk weinte (German Edition)
wo er arbeitet. Immerhin scheint er ebenfalls ein Biedermann zu sein.»
«Keine Freunde? Eine Freundin?»
«Nein. Einzig an der Uni konnten wir rausbekommen, dass er ebenfalls studiert hat. Abgeschlossenes Jurastudium. Was er danach aber trieb und vor allem, was er heute macht, steht in den Sternen.»
«Arbeitslos?»
«Nein, alles andere als arbeitslos.»
«Woher kommt nun diese Weisheit?»
«Wenn einer dreihundertfünfzigtausend Franken Einkommen versteuert, würde ich ihn nicht als arbeitslos bezeichnen.»
Ferrari schaute überrascht von den Notizen auf.
«Und das ohne geregelte Arbeit?»
«Er ist selbstständig erwerbend. Die Steuerverwaltung zeigte sich einigermassen kooperativ. Allerdings wollen sie noch eine offizielle Bescheinigung von der Staatsanwaltschaft, dass wir gegen ihn ermitteln. Dann kriegen wir alle Unterlagen.»
«Du hast denen gesagt, dass wir gegen ihn ermitteln?», krächzte der Kommissär.
«Ich musste doch etwas sagen. Hallo! Willkommen in der Realität. Oder glaubst du, dass die nur auf Anrufe warten, um ihre Daten unter die Leute zu bringen?»
«Hm. Wie sieht die familiäre Situation aus?»
«Ebenfalls ein Einzelkind wie Gissler. Aber die Eltern leben noch, sind vor Jahren nach Menorca ausgewandert.»
«Woher weisst du das?»
«Von der AHV. Die überweisen die monatliche Rente nach San Xoriguer, ein kleines Nest am Meer.»
Fehlte nur noch Philippe Stähli. Ferrari war sehr gespannt, was Nadine über den Kopf der Viererbande herausgefunden hatte. Philippe Stähli wohnte in Riehen, war verheiratet und Vater zweier Kinder. Medizinstudium wie sein Vater und Grossvater. Abschluss mit höchster Auszeichnung und einer von der Fachwelt überschwänglich gelobten Dissertation über die Früherkennung von Brustkrebs. Ein sehr erfolgreicher Arzt im Kantonsspital.
«Er wird der jüngste Chefarzt von Basel, sagt man», ergänzte Nadine. «Eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Seine Eltern leben beide nicht mehr und die ältere Schwester ist nach Australien ausgewandert.»
«Über ihn wissen wir am meisten.»
«Das lässt sich leicht erklären. Stähli ist Staatsangestellter und an diese Personaldossiers kommt Toni gut ran.»
«Skandale?»
«Keine Skandale, nicht einmal eine Parkbusse. Alles astrein. Eine Bilderbuchkarriere. Er ist der Vorzeigearzt der Stadt mit einer grossen Anzahl von Privatpatientinnen. Betonung auf Patientinnen, die sich alle von ihm auf Brustkrebs untersuchen lassen.»
«Schwingt da Sarkasmus mit?»
«Nein, ich meine es ernst. Er scheint ein Genie zu sein. Sieht zudem noch gut aus. Also nicht verwunderlich, dass die Patientinnen Schlange stehen. Fürs Kantonsspital übrigens kein schlechtes Geschäft, habe ich mir sagen lassen.»
«Wie das?»
«Er behandelt auch seine Privatpatienten im Kantonsspital. Und das sind nicht wenige. Alle sind erster Klasse versichert. Das bringt dem Spital einiges an Geld ein. Ihm natürlich auch. Eine Win-win-Situation sozusagen.»
«Ist er in irgendwelchen Vereinen?»
«Im Vorstand des Volleyballclubs Riehen. Wahrscheinlich aber nur, weil seine Schwägerin dort spielt. Sonst keine Aktivitäten.»
«Politik?»
«Ist mir nicht bekannt. Bei den anderen drei übrigens auch nicht.»
Ferrari legte seine zum Gebet verschränkten Hände auf Nadines Notizen.
«Wir müssen uns mit den vier, ich meine natürlich drei, einzeln unterhalten. Ist dir bei deinen Ausführungen etwas aufgefallen?»
«Nein … hätte mir was auffallen müssen?»
«Die vier sind klinisch sauber. Ehrenmänner, Stützen der Gesellschaft. Keiner hat sich seit dem Gerichtsfall auch nur das Geringste zu Schulden kommen lassen.»
«Jetzt, wo du es sagst …»
«Mit wem unterhalten wir uns zuerst?»
«Mit Selm. Er ist gemäss Bernhard Meister das nächste Opfer. Dann Richter und zum Schluss Stähli. Der ist dann deine Kragenweite. Schickimicki und so.»
Ferrari wusste ganz genau, worauf Nadine anspielte. Seit der Lösung seines ersten grossen Falls, der sich im Kreise alter Basler Patrizierfamilien abgespielt hatte, verfolgte ihn der Ruf des Schickimicki-Kommissärs. Insbesondere, weil er seitdem über Olivia Vischer, Tochter eines Pharmaindustriellen, direkten Zugang zum «Daig» hatte. Tja, alles hatte seine Schattenseiten. Manchmal war es jedoch ein Vorteil, sich in diesen Kreisen bewegen zu können. Allein die Erwähnung eines Namens, am besten ganz beiläufig, öffnete verschlossene Türen und ungeahnte Möglichkeiten. Trotzdem ärgerte er sich über die
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