Und der Basilisk weinte (German Edition)
mal die Kollegen, die damals eng mit ihr zusammengearbeitet haben. Vielleicht hat noch jemand Kontakt zu ihr.»
«Wann gedenkt Peter eigentlich, uns den Obduktionsbericht von Selm zu liefern?»
«Oh, Mist! Der liegt bei mir drüben. Ich hole ihn.»
«Nicht nötig. Etwas Aussergewöhnliches?»
«Eigentlich nicht. Es waren zwei Einstiche, beide tödlich. Der Mord geschah kurz vor Mitternacht zwischen halb zwölf und zwölf.»
«Die Tatwaffe?»
«Wurde nicht gefunden. Es handelt sich allerdings nicht um das gleiche Modell wie bei Gissler. Bei ihm war es ein Klappmesser mit ziemlich breiter Klinge. Bei Selm sind die Stichwunden feiner, wie von einem Stilett.»
«Zwei Messer, zwei Täter? Beim ersten Mord lässt der Täter das Messer liegen. Beim zweiten nimmt er es mit.»
«Trotzdem glaube ich an einen Mörder.»
«Er ist treffsicherer geworden.»
«Der erste Stich hätte bereits gereicht. Wahrscheinlich hat er sicherheitshalber zwei Mal zugestochen.»
«Und wenn es zwei verschiedene Mörder sind?»
«Das würde die Theorie bestätigen, dass mehrere Personen eine unheilige Allianz geschmiedet haben. An zwei Morde, die nichts miteinander zu tun haben, kann ich beim besten Willen nicht glauben. Solche Zufälle gibt es nicht.»
«Vier Opfer, vier Mörder? Jeder bringt einen um. Damit ist gewährleistet, dass keiner gegen den anderen aussagen kann. Brogli, Fahrner, Meister … und der Informant im Kommissariat.»
«Du hast ‹Ein Richter sieht rot› ein Mal zu viel angeschaut, mein Lieber.»
«Hm! Wir müssen sie oder ihn finden, Nadine. Und zwar schnell, bevor es Richter und Stähli erwischt.»
Als Ferrari am Mittag am Bahnhofplatz eine Zeitung kaufte, hatte er eine spontane Eingebung.
«Wir besuchen Iris Okaz. Das ‹Central› ist ganz in der Nähe.»
Nadine wusste zwar nicht aus welchem Grund, aber mit Rationalität hatte dies sowieso nichts zu tun. Am Empfang wurden sie von einem freundlichen Mann um die fünfzig begrüsst.
«Guten Tag. Wir möchten gerne Frau Okaz sprechen.»
«Bedaure, Frau Okaz arbeitet nicht mehr hier.»
«Sind Sie sicher?»
«Absolut. Sie hat uns vor zwei Tagen verlassen.»
«Eigenartig. Davon hat sie nichts gesagt.»
Der Empfangschef widmete sich bereits einem anderen Kunden. Ferrari überlegte kurz, ob er den Hoteldirektor verlangen sollte, entschied sich aber, seiner inneren Stimme folgend, für einen Besuch in die Hammerstrasse. Iris Okaz öffnete widerwillig.
«Dürfen wir reinkommen?»
«Lieber nicht.»
Sie standen unentschlossen vor der Tür.
«Ich respektiere Ihre Entscheidung, Frau Okaz. Ich verstehe es nur nicht.»
«Lass mich mal vor, Francesco», flüsterte Nadine. «Siehst du nicht, dass sie geweint hat? … Wir waren im ‹Central›, Iris, um Sie zu sprechen. Man hat uns gesagt, dass Sie nicht mehr dort arbeiten. Können wir Ihnen irgendwie helfen …»
Langsam trat sie zur Seite.
«Kommen Sie rein. Es geht mir nicht gut.»
Der Kommissär setzte sich auf den gleichen Platz wie bei ihrer ersten Begegnung. Nadine blieb am Fenster stehen.
«Wir möchten nicht aufdringlich sein. Wir waren zufällig in der Gegend, das heisst beim ‹Central›, und wollten Sie spontan besuchen. Da hat man uns am Empfang gesagt, dass Sie gekündigt hätten.»
«Gekündigt ist nicht richtig. Ich wurde rausgeworfen», flüsterte sie mit zittriger Stimme.
«Aus welchem Grund?»
«Wegen Umstrukturierungen.»
«So plötzlich?»
«Direktor Heim wollte mir keine weitere Begründung geben. Am Freitagabend zitierte er mich zu sich, sagte, er bedaure es, aber er müsse mich entlassen. Direktor Heim gab mir zwei Stunden, um meine Sachen abzuholen. Selbstverständlich bekäme ich noch zwei Monate mein Gehalt. Er hat entlassen gesagt, aber er hat mich rausgeworfen.»
Tränen liefen ihr über die Wangen.
«Haben Sie etwas angestellt? Sind Sie irgendjemandem auf den Schlips getreten? Ist Ihnen ein Fehler unterlaufen?»
«Nein. Es kam aus heiterem Himmel, Frau Kupfer.»
«Bitte nennen Sie mich doch Nadine.»
«Ich stehe noch immer unter Schock, Nadine. Das war mehr als nur ein Job, das war mein Leben.»
Da stimmte doch etwas nicht. Iris Okaz half der Polizei und wurde kurze Zeit später entlassen. Ferrari ahnte Düsteres.
«Haben Sie Feinde im ‹Central›?»
«Nein. Alle waren entsetzt. Es gab sogar eine Gruppe von Angestellten, der Küchenchef war mein grösster Fürsprecher, die meine sofortige Wiedereinstellung forderten. Direktor Heim blieb hart. Rolf, der Küchenchef,
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