und der Herr der Loewen
plötzlichem Tod durch mkambo.«
Er wandte ihr die sanften rehbraunen Augen zu. »Sie sind besorgt, das kann ich sehen. Ich muß mich eine Weile ausruhen, ehe wir uns in die Hütte begeben. Die Seele dieses jungen Mannes, der mich gerade verließ, ist sehr krank. Es ist eine traurige Geschichte, viel Arbeit war mit ihm erforderlich.« Er musterte eingehend ihr Gesicht. »Sie sind von weither gekommen, um unser Land zu besuchen.«
»Ja. Und um Sie kennenzulernen.«
Er schmunzelte. Eine junge Frau in leuchtend blauem Rock trat mit einem Tablett, auf dem zwei Porzellantäßchen standen, aus der Hütte. Sie stellte das Tablett zwischen sie auf die Bank, lächelte Mrs. Pollifax warm an und verschwand wieder im Innern.
Es war friedlich, dazusitzen und Tee zu nippen. Die strahlende Sonne sickerte durchs Laub der hohen Bäume und zauberte rautenförmige Goldflecken auf den Boden. Irgendwo hinter der Hütte gackerten aufgebrachte Hühner. Kräuterduft hing in der Luft, doch so sehr Mrs.
Pollifax sich umschaute, sie sah nirgendwo Kräuter, so schloß sie, daß der Duft von ihrem schweigsamen Banknachbarn ausging. Hinter dem Wäldchen stieß ein Vogel herab und kehrte umgehend in den wolkenlosen blauen Morgenhimmel zurück. Links von ihr standen die Bäume dichter und warfen ihren Schatten auf mannshohes Gestrüpp, das im Wind raschelte.
Sie zuckte zusammen, als ihr plötzlich bewußt wurde, daß sich nicht das leiseste Lüftchen rührte. Abrupt gestand sie: »Ich fühle mich beobachtet, Scharma. Ich fühle es!« Sie starrte in das dunkle, dschungelähnliche Unterholz, aus dem sie die beobachtenden Augen auf sich ruhen spürte.
Scharmas Blick folgte dem ihren nicht; er sah sie nur an und zog Schlüsse aus ihrem angespannten Gesicht. Schließlich lächelte er und sagte weich: »Es gibt solche Beobachter -
und es gibt andere Beobachter. Wollen wir jetzt ins Haus gehen?«
Es fiel ihr schwer, ihren Ärger über seine Gleichgültigkeit zu unterdrücken, und weil er nicht erklärte, wie er seine Worte meinte. Aber vielleicht drücken Medizinmänner sich mit voller Absicht unklar aus. Jetzt war sie na he daran, ihrem Ärger Luft zu machen, doch da bemerkte sie seinen amüsierten Blick und gewann den Eindruck, daß er genau wußte, was sie dachte.
Ihr Ärger wandelte sich in Verlegenheit.
Laraba war nicht zu sehen, jedenfalls nicht, während Scharma sie durch ein verdunkeltes, angenehm kühles Zimmer in ein kleineres führte, an dessen geflochtenen Strohwänden wundersame Dinge hingen: mit kunstvollem Muster gewebte Stoffstücke, geschnitzte Masken, Flaschenkürbisse, totemähnliche Figuren, einzeln trocknende Kräuter.
»Sie müssen die Schuhe ausziehen«, wies er sie an. »Für Sie werde ich Kaurimuscheln werfen.« Er glättete seine Gewänder und setzte sich. Mrs. Pollifax schlüpfte aus den Schuhen und ließ sich neben ihm auf dem grobgewebten Wolläufer nieder. In letzter Ze it war sie so sehr damit beschäftigt gewesen, Cyrus zu versorgen, daß sie ihre Jogaübungen vernachlässigt hatte und jetzt nicht einmal den Halblotossitz fertigbrachte, doch zumindest schaffte sie es, mit gekreuzten Beinen zu sitzen.
Scharma streckte die Hand nach ihrer aus, hielt sie kurz, dann nickte er. Er langte in einen Lederbeutel neben sich, holte eine Vielfalt an kleinen Objekten heraus und warf sie auf den Läufer.
Nun streckte er Mrs. Pollifax den leeren Beutel entgegen und sagte: »Dies ist kuuzira - blasen Sie hinein, bitte.«
Verblüfft tat sie wie geheißen und gab ihm den Lederbeutel zurück. Er wirbelte ein buntes Stöckchen durch die Luft, legte es zur Seite und begann die kleinen Objekte zwischen ihnen zu betrachten. Sie sah nun, daß es Kaurimusche ln in verschiedenen Größen und Tönungen waren, außerdem ein paar glatte Steinchen, ein eigenartig geformtes Holzstückchen und mehrere Federn. Eine Zeitlang studierte er das alles, dann schloß er die Augen, und sie fragte sich - denn das war durchaus möglich -, ob er sich jetzt in Trance befand.
Als er die Augen öffnete, blickte er sie nicht an. Er sagte ernst: »Sie sind nicht zufällig hier!«
Das war interessant. Sie wartete.
»Seit Sie hergekommen sind, waren Sie dem Bösen sehr nahe, ohne es zu ahnen. Es ist dicht an Ihnen vorbeigezogen, Sie haben es kennengelernt - ich sehe, Sie sind dem Bösen schon früher des öfteren begegnet, doch diesmal ist Ihnen nicht gegeben, es zu erkennen, noch nicht...« Wieder schwieg er eine kurze Weile, dann fuhr er fort: »Sie und
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