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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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von hier verschwinden.«

34
    Das Adrenalin schoss durch seinen Körper. Er war so sehr auf seine bevorstehende Aufgabe konzentriert, dass er ihn fast übersehen hätte, als er das Polizeirevier von Hollywood betrat. Nur ganz am Rand seines Gesichtsfeldes nahm er die Gestalt wahr, die auf einem der blauen Hartplastikstühle saß. Koby erhob sich. Er wirkte müde und abgespannt.
    »Sie ist bei den Detectives, glaube ich.«
    Der Dienst habende Sergeant blickte auf. Decker zeigte ihm seine Marke und wechselte ein paar höfliche Worte mit ihm, dann wandte er sich Koby zu. »Wie geht es Ihnen?« »So einigermaßen. Ich bin nicht so mutig wie Ihre Tochter.«
    »Was ist passiert?«
    Koby berichtete in knappen Worten, was sich ereignet hatte.
    Decker hörte ihm aufmerksam zu. Irgendwas stimmte da nicht. Dabei erzählte Koby seine Geschichte durchaus gut: offene Miene, lockere Haltung, Augenkontakt. Die Detectives, mit denen er gesprochen hatte, waren ihm wahrscheinlich auf den Leim gegangen, aber Decker wusste, wann ihm jemand einen Bären aufzubinden versuchte. In diesem besonderen Fall wusste er es vor allem deswegen, weil er seine Tochter kannte. Er hörte ihre Worte und ihre Sätze, nicht Kobys leicht abgehackte Sprechweise. Decker musterte ihn eindringlich. »Lassen Sie uns ein paar Schritte gehen, ein bisschen frische Luft wird Ihnen gut tun.«
    Koby erwiderte seinen Blick. »Danke für das Angebot, Sir, aber ich glaube, ich bleibe lieber hier.«
    »Nun kommen Sie schon, nur fünf Minuten«, sagte Decker leicht gereizt.
    »Mir ist im Moment nicht nach frischer Luft zumute, Sir. Ich möchte auf Cindy warten.«
    »Das wird noch Stunden dauern.« Jetzt klang Decker ganz geschäftsmäßig. »Sie können ruhig eine kleine Runde mit mir drehen.«
    »Ich werde hier warten, Sir«, entgegnete Koby. »Wenn es sein muss, auch Stunden.« Der Junge hatte ein Machtwort gesprochen.
    Na großartig, dachte Decker. Nun hatte er sich auch noch auf ein dämliches Kräftemessen mit dem Freund seiner Tochter eingelassen. Und genau das war natürlich das Problem: Seine Tochter konnte er manipulieren, er kannte alle Tricks, die ein Vater kennen musste. Er wusste, wann es an der Zeit war, energisch zu werden oder sich besser zurückzuhalten, sodass er es am Ende immer schaffte, sie auf seine Seite zu ziehen. Koby jedoch war nicht nur der Freund seiner Tochter, sondern auch ein zweiunddreißigjähriger Mann, der schon viel Schlimmes durchgemacht hatte und sich von niemandem unter Druck setzen ließ, nicht einmal von Cindys Vater.
    Es war Zeit, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Er musste einen Draht zu Koby finden, indem er für sie beide erst einmal einen gemeinsamen Nenner definierte. Das war leicht. Decker trat einen Schritt zurück, um seinem Gegenüber mehr Raum zu lassen.
    »Mein Junge, Sie wollen doch bestimmt nur das Beste für Cindy, genau wie ich«, sagte er in ruhigem, aber eindringlichem Tonfall. »Wenn sie da drinnen Probleme mit den Detectives hat, können Sie ihr nicht helfen, aber ich kann es. Ich bitte Sie doch nur wegen Cindy um Hilfe. Kommen Sie mit nach draußen, und gehen Sie ein paar Schritte mit mir.«
    Koby wandte den Blick ab. Dann griff er plötzlich nach seiner Lederjacke. Decker hielt ihm die Tür auf, und sie traten ins Freie. Vor ihnen lag der Wilton Place. Zu dieser nächtlichen Stunde waren dort keine Fußgänger mehr unterwegs. Die Dunkelheit war bedrückend, die Luft feucht und kalt. Decker schauderte.
    »Setzen wir uns in meinen Wagen. Da ist es wärmer.«
    Koby betrachtete ihn misstrauisch.
    »Was?« Decker kniff die Augen zusammen. »Glauben Sie, ich tu Ihnen etwas?«
    »Ich traue euch Cops nicht.«
    »Sie sind mit einem zusammen.«
    »Cindy ist kein Cop, sie ist... eben Cindy.«
    »Und ich bin ihr Vater.«
    »Umso mehr Grund, Ihnen nicht zu trauen.«
    Decker funkelte ihn einen Moment wütend an, dann wandte er den Blick ab und lachte. »Na schön. Dann reden wir eben hier draußen und frieren uns dabei den Arsch ab.«
    Das Schweigen zwischen ihnen passte zu der Stille auf der Straße.
    Koby fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Mein Gott... es tut mir Leid.«
    »Macht nichts.« Decker legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich bin ja auch nur so lästig, weil ich mir Sorgen mache, Koby. Und ich würde lieber in meinem Wagen reden, weil es dort wärmer ist und wir sicher vor Zuhörern sind. Aber wenn Sie das nicht wollen, ist es mir hier draußen auch recht.«
    »Wo steht denn Ihr Wagen?«
    Decker

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