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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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lachte leise. »Niemand hat ein Wort gesagt! Alle - Ärzte, Schwestern, Pfleger, Sanitäter - überrissen sofort, was da ablief. Außerdem bekommen die Kinder auf der Onkologie oft Besuch von Berühmtheiten.« Er hob die Augenbrauen. »Dieser kleine Junge... er sah nur, was er sehen wollte, und die anderen Kinder wollten es ebenfalls glauben. Ich unterschrieb mit irgendwas Krakeligem, das mit K anfing, und sie waren glücklich. Absolut begeistert.«
    Der Aufzug summte.
    Koby wirkte plötzlich nachdenklich. »So kranke Kinder, Cindy. So schwach... total am Ende. Das ist alles so unfair.«
    Die Türen gingen auf.
    Er zuckte mit den Schultern, versuchte die traurigen Gedanken abzuschütteln. »Wenn ich die Möglichkeit habe, ihnen ein bisschen Freude zu bereiten, dann kann ich nur sagen - warum nicht?«
    Er trug unseren Kaffee zu einem der orangefarbenen Plastiktische. Zu dieser nächtlichen Stunde war die Küche geschlossen, aber es gab noch Getränke und in Plastikfolie verpackte kalte Sandwiches für die wirklich Ausgehungerten. Wir nahmen einander gegenüber Platz. Er hatte seine Kopfbedeckung abgenommen, sodass ich seine kurz geschnittenen, dichten schwarzen Locken bewundern konnte.
    »Als ich von Israel nach Amerika kam, hatte ich das Glück, bereits eine Berufsausbildung zu haben.«
    »Wie lange leben Sie denn schon hier... in den USA?«
    »Seit acht Jahren. Zuerst zog ich von Äthiopien nach Israel. Das war 1983 , vor Operation Moses, ich war damals elf. Nachdem Haile Selassie abgesetzt war, stand es für mein Volk sehr schlecht. Äthiopien wurde marxistisch und war Beta Yisrael nicht mehr wohl gesinnt. Sie verboten unsere Religionsriten. Unsere Ältesten wurden zum Teil sogar gefoltert. Dann kam die Dürreperiode. Meine Mutter starb kurz nach der Geburt meiner Schwester. Als wir schließlich unseren Marsch durch den Sudan antraten, standen wir kurz vor dem Verhungern. Ich verlor eine weitere Schwester, aber vier von uns überlebten - meine zwei älteren Brüder, Yaphet und Yoseph, meine jüngere Schwester Naomi und ich. In Äthiopien war mein Vater ein sehr respektierter qes gewesen, ein Priester. Er kannte natürlich Orit, was der Thora entspricht, allerdings auf Geez oder Amharisch. Darüber hinaus kannte er aber auch Chu-mash, und das ist sehr, sehr ungewöhnlich. Sein Großvater war ein jemenitischer Jude, der
    1900 nach Äthiopien kam und ein paar hebräische Bücher mitbrachte, darunter auch Chumash. In meinen Adern fließt also ein wenig Mizracbi. Meinem Vater zufolge habe ich meine hellen Augen von meinem Urgroßvater geerbt.«

4
    »Die sind mir schon aufgefallen.« In dem grellen Neonlicht wirkten sie fast golden.
    »Sie sind sehr schön.«
    »Danke.« Er lächelte scheu. »Ich würde sie sofort gegen Ihr prächtiges rotes Haar eintauschen.«
    Ich erwiderte sein Lächeln. »Danke. Aber mit solchen Wünschen sollte man vorsichtig sein.«
    »Da haben Sie Recht.« Er nippte an seinem Kaffee. »Ist der aber bitter! Wahrscheinlich haben wir den Satz bekommen. Jedenfalls hieß mein Großvater mit Nachnamen Yekutieli. Daraus wurde Kutiel.«
    »Dann haben Sie Verwandte im Jemen?«
    »Nein. Sie zogen alle in den fünfziger Jahren nach Israel, als dort jemenitische Juden aufgenommen wurden. Meine Brüder und ich konnten schon ein wenig Hebräisch, als wir ins Heilige Land kamen. Die meisten Beta Yisrael mussten es erst lernen. Als Söhne eines qes begannen wir schon im Alter von zwei Jahren mit Orit, weil es in unserer Kultur Aufgabe des qes ist, Orit zu lesen. Ich lerne Sprachen sehr leicht. Bis zur Bar- Mizwa - die für uns übrigens ein neuer Brauch war - konnte ich Orit und Chumash größtenteils auswendig, obwohl ich inzwischen vieles davon wieder vergessen habe. Meine Brüder auch.«
    »Erstaunlich«, sagte ich. »Und Ihre Schwester?«
    »Die Mädchen lernen bei uns gar nichts. Sie gehorchen ihren Männern, kümmern sich um den Haushalt und bekommen Kinder. Sie töpfern höchstens ein wenig und verkaufen die Sachen dann auf dem Markt. Das Geld geben sie natürlich ihrem Ehemann.«
    »Jetzt veräppeln Sie mich.«
    Er grinste verschmitzt. »Das änderte sich alles, als wir uns in Israel niederließen. Meine kleine Schwester kam mit ihrem neuen freien Leben sehr gut klar. Im Grunde hatte sie es meinem Vater zu verdanken. Er war einer der ersten Äthiopier, der mit seiner Familie nach Israel ging. Mittlerweile gibt es dort siebzigtausend von uns.«
    Ich riss erstaunt die Augen auf. »Siebzigtausend? Ich hatte

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