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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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keine Ahnung.«
    »Waren Sie schon mal dort?«
    »Nein.« Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Als wäre die
    Tatsache, dass ich es noch nicht geschafft hatte, das Heilige Land zu besuchen, ein Verrat am Erbe meiner Vorfahren. »Eines Tages werde ich hinfahren. Mein Vater war vor etwa zehn Jahren dort. Meine Stiefmutter hat mit ihrem ersten Mann eine Weile in Israel gelebt.«
    »Mit dem Vater Ihres Stiefbruders.«
    »Woher wissen Sie... ach ja. Der auch Yaakov heißt. Wir nennen ihn Jake oder Yonkie.« »Und außer ihm haben Sie keine Geschwister?«
    »Doch, eine Halbschwester, die Hannah heißt, und noch einen Stiefbruder, Sam. Die Jungs sind viel jünger als ich, sie gehen noch aufs College. Hannah ist erst zehn - unser Baby.«
    Er nickte. »Meine ganze Familie lebt mittlerweile in Israel. Meine Brüder sind Offiziere im Zahal - der israelischen Armee. Meine Schwester arbeitet wie ich in der Krankenpflege und lebt mit ihrer Familie in Tel Aviv. Mein Vater hat wieder geheiratet, eine Aschkenasim-Frau, deren Mann im Libanon getötet worden war. Batya brachte aus ihrer ersten Ehe vier Kinder mit, sodass wir eine Weile zu zehnt in einer sehr kleinen Wohnung hausten. Dann wurde sie von meinem Vater schwanger und bekam Zwillinge, zwei Mädchen. Zu dem Zeitpunkt waren meine Brüder und die drei Stiefbrüder aber schon ausgezogen, sodass es mehr Platz gab. Ein Jahr später, mit siebzehn, bin ich ebenfalls ausgezogen, um drei Jahre lang meinen Melium zu machen.« »Melium?«
    »Militärdienst. Danach beschloss ich, Krankenpfleger zu werden. Das meiste war mir durch meine Arbeit in der Armee ohnehin schon geläufig, ich brauchte nur noch die Theorie. Ich belegte einen Intensivkurs und hatte nach zweieinhalb Jahren meinen B.
    S. in Krankenpflege und einen Job.«
    »Dann haben Sie sozusagen den Weg für Ihre Schwester bereitet.«
    Er überlegte einen Moment. »Ja, ich glaube schon, obwohl in Israel viele Äthiopier eine Ausbildung im Bereich Krankenpflege machen. Meine Schwester hat einen schönen Bürojob. Mein Vater war damals sehr wütend über meinen Entschluss, Pfleger zu werden. Als Kohen sollte ich mich eigentlich nicht in der Nähe von Leichen aufhalten. Meine Stiefmutter meinte, wenn ich schon die Kahuna - die Priesterschaft - nicht respektierte, sollte ich wenigstens Arzt werden.«
    »Das klingt nach einer typischen jüdischen Mutter.«
    »Ja, Batya ist eine sehr jüdische Mutter. Letztendlich folgte ich meinem Herzen, und meine Eltern versöhnten sich mit mir. Ich bin der jüngste Sohn in der Familie... sehr verwöhnt. Sie können mir nicht lange böse sein. Für meinen Beruf ist es gut, dass ich mir der Nähe des Todes immer bewusst bin. Wenn während meiner Schicht ein Baby kollabiert, tue ich alles, um das Kind zu retten. Noch besser ist es natürlich, man passt auf, dass es gar nicht erst so weit kommt. Ich bin da sehr, sehr wachsam.«
    »Engagement ist eine gute Sache.« Dasselbe hatte er zu Beginn unseres Gesprächs zu mir gesagt. Er schien sich auch zu erinnern, denn er lächelte. »Sie haben einen Master's in Public Health.«
    Er warf einen Blick auf sein Schild. »Ja, seit vier Jahren. Das Krankenhaus wollte ursprünglich nur, dass ich einen Master's-Abschluss in Krankenpflege mache. Sie kriegen mehr Geld vom Staat, wenn ihr Personal akademische Grade vorweisen kann. Als ich nach einem Jahr zurückkam, tat ich genau dasselbe wie vorher, mit dem einzigen Unterschied, dass hinter meinem Namen mehr Buchstaben standen. Und ich bekam mehr Geld, was natürlich nicht zu verachten ist. Irgendwann beschloss ich, noch mehr Geld zu verdienen, und ging für ein weiteres Jahr an die Uni, machte tagsüber meinen M.P. H., während ich nachts arbeitete. Den Titel braucht man, wenn man im Bereich Krankenhauspolitik oder Verwaltung beschäftigt werden will. Der Verdienst ist um einiges besser, aber die Arbeit ist so langweilig.«
    Ich musste lachen.
    »Sie machen sich keine Vorstellung, Cindy. Eine Besprechung nach der anderen! Ich bin fast durchgedreht. Nach einem halben Jahr habe ich das Handtuch geworfen und bin zurück in den Pflegedienst. «
    Innerlich grinsend, dachte ich an meine Eltern. Meine Mutter hatte von meinem Vater mehr erwartet als das Gehalt eines Polizisten. Pflichtbewusst, wie er war, absolvierte er ein Jurastudium und begann dann in der Kanzlei meines Großvaters mütterlicherseits zu arbeiten, wo er sich mit Testamenten und Immobilienverwaltung herumschlagen musste. Auch er hatte nach etwa einem

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