Und der Herr sei ihnen gnädig
ist nichts an ihnen auszusetzen, außer dass er ständig zu uns herübersieht.«
Ich legte meine Serviette beiseite. »Ich werde mal einen Ausflug auf die Toilette machen.«
Da die Luftfeuchtigkeit im Moment ziemlich gering war, hatte ich, was mein Haar betraf, einen guten Tag: Meine schulterlangen Locken hatten Volumen, ohne sich allzu sehr zu kräuseln. Ich trug ein ärmelloses, feuerrotes Kleid mit tiefem Ausschnitt. Da Koby barfuß eins siebenundachtzig maß, entschied ich mich, wenn wir schön ausgingen, fast immer für hohe Schuhe, mit denen ich fast die Eins-achtzig-Marke erreichte. Als ich aufstand, starrte er mich bewundernd an.
»Wahrscheinlich kann er den Blick einfach nicht von dir abwenden, weil du so schön bist.« Kopfschüttelnd fügte er hinzu: »Manchmal muss ich mich selber in den Arm kneifen.«
Ich beugte mich zu ihm hinunter, um ihm Einblick in meinen Ausschnitt zu gewähren, und küsste ihn dann auf den Kopf. »Ich übernehme das gerne für dich. Aber jetzt musst du mich für einen Moment entschuldigen.«
Ich nutzte die Gelegenheit, um mir die Lippen nachzuziehen. Auf dem Rückweg hatte ich den Tisch gut im Blick. Die drei Paare waren alle über fünfzig, und die Männer sahen tatsächlich aus wie Anwälte. Der schwarze Mann war definitiv einer.
Raymond Paxton - David Tylers Vermögensverwalter.
Ich hatte in den letzten Wochen dreimal bei ihm angerufen, aber immer nur seinen Anrufbeantworter erwischt. Die ersten beiden Male hatte ich nur gesagt, dass ich nachfragen wolle, ob er etwas von David gehört habe. Beim dritten Mal hatte ich ihn darüber informiert, dass ich in meiner Freizeit noch immer auf der Suche nach David sei, und ihm die Namen der Obdachlosenheime genannt, in denen ich bereits gewesen war. Ich hatte hinzugefügt, dass ich ihm unnötige Arbeit ersparen wolle, falls er ebenfalls nach David suche. Wir brauchten ja nicht beide dieselben Stellen abzuklappern.
Er hatte nicht einmal den Anstand besessen, seine Sekretärin zurückrufen zu lassen. Natürlich war er nicht zu einer Antwort verpflichtet, aber es wäre zumindest höflich gewesen. Als er mich auf seinen Tisch zusteuern sah, stand er sofort auf und kam mir entgegen, um mir ja keine Gelegenheit zu geben, seine Runde zu stören. Wir trafen uns auf halbem Weg zwischen unseren Tischen und fanden eine freie Ecke an der ansonsten ziemlich vollen Bar. Ich setzte mich, er blieb stehen. Zu meiner Überraschung war er keineswegs abweisend, sondern entschuldigte sich sofort bei mir. »Sie hatten bestimmt sehr viel zu tun«, antwortete ich mit ausdrucksloser Miene, fixierte ihn dabei aber in typischer Cop-Ma-nier. Ich weiß nicht, ob wir das aus dem Fernsehen haben oder umgekehrt. Paxton trug eine khakifarbene Hose, ein weißes Hemd, eine rote Krawatte und einen blauen Blazer. Er wirkte so vornehm, dass ich mich fragte, ob er wohl an einer Eliteuniversität studiert hatte.
»Für ein kurzes Telefonat braucht man nur zwei Minuten«, erwiderte er. »Ich habe Sie nicht zurückgerufen, weil ich Ihnen nicht traute.«
Ich zuckte diplomatisch mit den Achseln. »Mir war nicht klar, worum es Ihnen eigentlich ging. Ich weiß es immer noch nicht.«
»Ich möchte David Tyler finden.« »Ja, aber warum?«
Ich überlegte einen Moment. »Ich weiß nicht, Mr. Paxton. Vielleicht, weil es das Leben sehr gut mit mir gemeint hat und mit ihm sehr schlecht.«
Paxton blickte zu Boden. »Bei dem Treuhandfonds, den ich für ihn verwalte, handelt es sich um eine beträchtliche Summe. Nachdem David verschwunden war, hatte ich ein paar Monate lang einen Privatdetektiv mit der Suche nach ihm beauftragt.«
»Das wusste ich nicht. Davon haben Sie bei unserem Gespräch nichts erwähnt.«
»Der Mann war ein Betrüger.«
»Oje. Das tut mir Leid.«
»Es war meine eigene Schuld. Ich hatte meine Hausaufgaben nicht richtig gemacht. Da Ihnen David wirklich am Herzen zu liegen scheint, könnte ich Sie in einer gewissen Höhe für Ihre Zeit und Ihre Ausgaben entschädigen. Das Ganze müsste dann aber einen offiziellen Rahmen bekommen. Ich brauchte einen schriftlichen Bericht über den Fortgang Ihrer Ermittlungen.«
Ich hob abwehrend die Hände. »Vielleicht ein bisschen was fürs Benzin, ansonsten brauche ich nichts. Wie wär's, wenn Sie stattdessen das Baby ein wenig unterstützten?« »Das kann ich nur, wenn Sie mir medizinische Beweise vorlegen, dass es sich tatsächlich um Davids Kind handelt. Andernfalls bekomme ich später womöglich Probleme. Aber ich
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