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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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auch noch rasieren?«
    »Lieber nicht, Hannah könnte davon aufwachen.« Er ging zurück ins Schlafzimmer, erfüllt von seinen Erwartungen und der beklemmenden Angst, die zu seiner ständigen Begleiterin geworden war. Er hatte sich inzwischen an die Knoten in seinem Magen gewöhnt. Es war, als würde ein unsichtbarer Gürtel seinen Bauch einschnüren. Manchmal saß er ganz fest, manchmal lockerte er sich ein wenig, aber er war immer da. Unter der Decke wurde sein Körper schnell warm, nur seine Füße blieben kalt. Er achtete darauf, Rina nicht damit zu berühren. Für Decker war Sex eine wundervolle Sache. Er reiste währenddessen durch ein anderes Universum, fühlte sich wie ein Mann ohne Gehirn. Er empfand dies als unglaublich befreiend, ganz zu schweigen vom krönenden Höhepunkt. Danach kam die vertraute Nähe. Während Rina sich an ihn kuschelte und er ihr Haar streichelte, blitzten in seinem Kopf schon wieder Bilder auf, an die er nicht denken wollte.
    »So. Nun kannst du es mir erzählen. Was hat es mit den Fotos auf sich?«
    »Es passierte, während du deinen Jetlag ausschliefst. Ich kam an einem Polizeirevier vorbei. Die Neugier trieb mich hinein.« »Wegen deiner Großmutter.« »Ja.«
    »Weiß deine Mutter davon?«
    Rina hob den Kopf. »Natürlich nicht! Du darfst es ihr auf keinen Fall verraten, Peter. Ich muss erst noch mehr darüber herausfinden.«
    »Ich hab nicht die Absicht, ihr irgendwas zu verraten. Je weniger ich mit deiner Mutter spreche, desto besser.« Rina knuffte ihn leicht.
    »Was war der Auslöser?«, fuhr Decker fort. »München?«
    »Ja, wahrscheinlich. Durch diese Stadt geistern die Seelen all meiner Vorfahren. Sie haben aus dem Grab zu mir gesprochen, Peter. Kannst du das nachvollziehen?«
    »Ein paar von meinen ungelösten Fällen... die sprechen auch noch zu mir.«
    »Dann verstehst du, was ich meine.«
    »Ja, leider.«
    »Das war eine ganz seltsame Reise«, meinte sie nachdenklich.
    Wenn ich mich bloß besser erinnern könnte, dachte Decker. Die Müdigkeit war überwältigend gewesen, sodass er die meiste Zeit geschlafen hatte. Selbst in seinen wachen Stunden, während ihrer Wanderung durch das regennasse Voralpenland, war er mit seinen Gedanken woanders gewesen.
    Rina kuschelte sich noch enger an ihn. »Als ich an diesem Polizeirevier vorbeikam, dachte ich mir, wenn nicht jetzt, wann dann?«
    »Bist du wirklich sicher, dass du es wissen willst?«
    »Nein, ich bin ganz und gar nicht sicher«, antwortete Rina. »Ich hab im Krieg viele Verwandte verloren. Die meisten Fälle wurden nie richtig aufgeklärt. Es gab keine Leichen zu beerdigen, keine Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, wann genau sie gestorben sind. Ihr Tod war das Endergebnis von etwas unvorstellbar Bösem. Aber im Fall meiner Großmutter... da steckt vielleicht eine Geschichte dahinter. Meine Mutter kann ich nicht danach fragen. Gott bewahre, dass ich etwas tue, das ihr Schmerz bereitet. Sie hat in ihrem Leben schon genug gelitten. Aber ich bin nur eine Generation von all dem entfernt. Ich habe das Gefühl, dass ich ein Recht darauf habe, über den Tod meiner Großmutter Bescheid zu wissen.«
    »Und was hast du herausgefunden?«
    Er hörte sie in der Dunkelheit seufzen. »Nichts. Das ist ja das Problem. Ich kann die Worte lesen und verstehe sogar ein paar Sätze, aber mein Deutsch ist nicht gut genug, um den ganzen Text zu begreifen, geschweige denn die Feinheiten. Und selbst wenn ich jedes Wort in der Akte verstünde, würde es mir nicht viel bringen. Ich bin einfach kein Detective. Ich kann nicht interpretieren, was das alles zu bedeuten hat.« Sie ließ ihre
    Finger über seine Brust gleiten. »Ich treibe bestimmt jemanden auf, der mir die Aufzeichnungen übersetzt. Aber ich brauche einen erfahrenen Detective, der sich mit Mordfällen auskennt und mir das Ganze erklärt -«
    »Rina -«
    »Aber nur, wenn es dich interessiert.«
    Beide schwiegen einen Moment, dann sagte Decker: »Ich weiß, was du im Schilde führst.« »Was denn?«
    »Du versuchst, mich zu beschäftigen, damit ich nicht ständig an mein Versagen denke.« »Du hast nicht versagt!« »Und wie ich versagt habe!«
    Sie spürte, wie sein Körper sich versteifte. Die Sache in New York war inzwischen Monate her. Zeit, reinen Tisch zu machen, auch wenn es dadurch zu Missklängen zwischen ihnen kommen würde. Sie sprach leise und wählte ihre Worte mit Bedacht: »Peter, ich weiß nicht, was in der Lagerhalle passiert ist -«
    »Das ist mir klar, und ich bin

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