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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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neunzig Prozent aus Zuhören.«
    »Meine auch.«
    »Sogar bei den Kindern?«
    Er überlegte einen Moment. »Bei den kleinen Kindern... die Kleinen reden nicht so viel. Man macht Spiele mit ihnen, damit sie die ganzen Prozeduren nicht so mitbekommen. Wir haben mehrere Psychologen, die darauf spezialisiert sind. Wenn sie überlastet sind, machen es die Schwestern und Pfleger selbst. Die kleinen Mädchen spielen mit Puppen, die kleinen Jungs... sie schlagen und boxen gern. Das mögen alle kleinen Jungs. Wenn sie krank und wütend sind, schlagen und boxen sie besonders gern. Ich verbringe viel Zeit damit, Schläge von wütenden Jungs einzustecken.«
    »Es muss schwer sein, ständig mit kranken Kindern zu arbeiten. «
    Er zuckte mit den Schultern. »Manchmal. Aber es gibt einem auch sehr viel. Das ist bei Ihrem Beruf doch auch nicht anders, oder?«
    »Nein.« Ich nickte.
    »Lassen Sie uns nicht mehr von der Arbeit sprechen«, meinte Koby. »Das Wort gursha bedeutet >Bissen<, aber es bezeichnet zugleich eine äthiopische Tradition.«
    »Und die wäre?«
    »Wir teilen unser Essen. Deswegen wird alles auf nur einer Platte serviert. Wenn wir in richtig guter Stimmung sind, füttern wir einander.«
    »»Was?«
    Er lud ein paar gewürzte Erbsen auf ein Stück injera und machte ein Minisandwich daraus. »»Minhag Hamakom. Das ist Hebräisch für >nach Art des Hauses<. Sie müssen aus meinen Händen essen, sonst denken die anderen, Sie mögen mich nicht.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Sehen Sie sich um.«
    Ich tat, wie mir geheißen. Am Tisch uns gegenüber saß ein äthiopisches Paar. Er trug Jeans und T-Shirt und hatte Rastalocken, sie trug eine kesse pinkfarbene Seidenbluse über einer schwarzen Stretchhose und hatte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Tatsächlich fütterte sie ihren Partner mit den Händen.
    »Na schön«, sagte ich zögernd. »Aber nur, wenn ich Sie auch füttern darf.«
    »Natürlich. Das ist ja gerade der Punkt.«
    »Außerdem würde ich vorschlagen, dass wir uns endlich duzen. Es ist lächerlich, sich von jemandem füttern zu lassen, mit dem man sich siezt.«
    Sobald seine Hände meinen Mund berührten, zuckte ich instinktiv zurück. Als ich es beim zweiten Anlauf schaffte, den mir angebotenen Bissen entgegenzunehmen, streifte meine Zunge seine Fingerspitzen. Ich erwiderte die Geste, indem ich ihn mit injera fütterte, das ich um ein wenig Blattgemüse wickelte. Er besaß den Anstand, das Essen entgegenzunehmen, ohne dabei anzüglich zu werden, aber es reichte auch so schon. Sobald seine Lippen meine Haut berührten, spürte ich, wie mir heiß wurde. Allem Anschein nach ging es ihm ähnlich.
    Wir sahen uns einen Moment tief in die Augen, dann senkte ich verlegen den Kopf. Ich wusste, dass ich rot geworden war. »Es bricht das Eis, so viel steht fest.«
    Sein Blick war immer noch auf mein Gesicht gerichtet. »Ich hatte gute Gründe, ein äthiopisches Restaurant vorzuschlagen.«
    Ich drohte ihm mit dem Finger.
    Er lud ein wenig Kohl auf. »Hier. Lass es uns noch mal tun. Beim zweiten Mal geht es schon besser.«
    Er hätte auch von etwas anderem sprechen können.
    Ich nahm das Essen ohne Widerspruch entgegen, genoss das Gefühl seiner Finger an meinem Mund. Dann fütterte ich ihn mit einem Stück Kürbis. In dem schummrigen Licht waren seine Pupillen so groß, dass seine topasfarbenen Augen fast schwarz wirkten.
    Ich bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln. »Ist das Hinterzimmer im Preis inbegriffen, oder kostet das extra?«
    Er prustete los. »Essen soll doch anregend sein.«
    »Anregend, ja, aber nach Möglichkeit noch jugendfrei.«
    Wieder musste er lachen. Wir aßen ein paar Minuten schweigend, um die erotische Spannung abzubauen. Schließlich richtete ich mich mit einem Seufzer auf. »Ich glaube, ich bin satt!«
    »Aber es hat dir geschmeckt?«
    »Großartig. Das war kein normales Mittagessen - das hat richtig Spaß gemacht. Vielen Dank.«
    »Das freut mich. Für mich war es auch sehr schön. Kaffee?« » Gern.«
    »Den Kaffee teilt man aber nicht, oder?« »Nein, es sei denn, man begründet eine neue Tradition.« »Nein, danke. Ich glaube, ich hatte genug Abenteuer für einen Tag.«
    Koby winkte der Kellnerin und bestellte auf Amharisch.
    »Kommst du oft hierher?«, wollte ich wissen.
    »Jetzt nicht mehr so oft, aber am Anfang schon. Als ich noch ein wenig Heimweh hatte. Inzwischen fehlt mir nur noch der Sabbat.«
    »Die Einladung für Freitagabend steht noch. Falls du möchtest.«
    »Nein,

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