Und der Herr sei ihnen gnädig
Zimt.«
»Besser als das Krankenhausgebräu, oder?«
»Viel besser.« Ich hob das Plastikpäckchen hoch. »Und was hat es mit dieser Frisbeescheibe auf sich?«
»Das ist injera - weiches äthiopisches Fladenbrot. Es wird aus teff gemacht, unserem besonderen Getreide.« Er verstaute die Sachen wieder in der Tüte. »Ich gebe Ihnen etwas zu essen. Für einen Äthiopier ist das ein höchst wertvolles Geschenk.«
»Wie schön.«
»Ich habe nichts reserviert. Wie wär's, wenn wir ein bisschen herumschauen, ob es uns irgendwo besonders gut gefällt?«
Ich antwortete, dass das eine gute Idee sei. Wir spazierten die belebte Straße entlang, begleitet vom Lärm der Autos und dem Rhythmus der Musik, die aus einem jüdischen Reisebüro und einem CD-Laden schallte. Der Block bestand aus einem Durcheinander kleiner Geschäfte - neben mehreren jüdischen Secondhandläden gab es einen Schrotthändler, Discountgeschäfte, eine kleine Konditorei und natürlich den äthiopischen Bereich. Schon nach wenigen Sekunden war mir klar, dass die Staatsfarben Grün, Gelb und Rot sein mussten, weil mindestens fünf Ladenfronten mit Streifen in diesen Farben geschmückt waren. Sogar die etwas weiter entfernte ShellTankstelle passte gut ins Bild.
Es gab drei Restaurants, auf deren Markisen neben ihrem englischen Namen Schnörkel prangten, bei denen es sich wohl um Amharisch handelte. Ein Laden hatte sich auf injera und exotische Gewürze spezialisiert. Sogar durch die geschlossene Tür konnte ich die verlockenden Aromen riechen. Ein Klamottenladen warb mit naturbelassener Kleidung. Im Fenster war ein weißer Baumwollkittel ausgestellt, dessen Ausschnitt rote, grüne und gelbe Bänder zierten. Außer Klamotten gab es in dem Geschäft mehrere
Regale mit verschiedensten Silberringen und Kreuzen, einer Menge Perlmuttschmuck und einer ganzen Schar von sehr ursprünglich aussehenden Puppen. Koby sah mich hineinspähen.
»Möchten Sie reingehen?«
»Nein, jetzt nicht. Vielleicht später.«
»Hier ist das Gursha. Hätten Sie Lust, es auszuprobieren?« »Sehr gern.«
Er hielt mir die Tür auf, und wir traten ein.
Das Lokal war klein und heimelig, wenn auch ein wenig überladen. Die Tapete hatte ein Muster aus verschiedenen Fußabdrücken von Tieren und diente als Hintergrund für Poster mit äthiopischen Landschaften, eine Weltkarte und Dutzende Fotos lächelnder Wirte. Tische und Stühle waren aus heufarbenem Rohr gebaut und mit roten geometrischen Formen bemalt. Gekrönt wurde das Ganze von großen Stoffschirmen mit Fransenrand. Ein paar Männer speisten in einer Pseudostrohhütte neben dem Fenster. Mir fiel auf, dass sie alle mit der Hand aßen. Die Wirtin war dünn und zierlich. Wie die anderen Äthiopierinnen, denen ich bisher begegnet war, hatte sie eine lange Nase und runde Augen. Nachdem sie mich einen Moment gemustert hatte, wandte sie sich in ihrer Muttersprache an Koby. Die beiden führten ein kurzes Gespräch, dann ließ sie uns an einem Tisch Platz nehmen und reichte uns die Speisekarten.
»Ich habe ihr gesagt, dass wir Vegetarier sind«, erklärte Koby. »Sie hat mir versichert, dass eine Menge vegetarischer Spezialitäten auf der Karte stehen.«
»Na bitte«, sagte ich. »Hier haben wir ja schon eine vegetarische Platte für zwei, mit yater alitcha -«
»Erbsen mit Gewürzen.«
» Yatakilt alitcha -«
»Gemischtes Gemüse mit Gewürzen.«
»Yemiser wot -«
»Linsen mit Paprikasauce.«
»Und Blattgemüse.«
»Und Blattgemüse.«
Ich lachte. »Sehr lustig. Außerdem gibt es baklava. Endlich etwas, das ich kenne.
Sollen wir uns das teilen?« »Ja, gern.«
»Wird bei euch mit den Händen gegessen, wie in den marokkanischen Restaurants?«
»Ja, ganz ähnlich. Die Mahlzeit wird auf injera serviert.« »Dem Frisbeebrot.«
»Genau. Man benutzt das injera als Besteck und als Teller, während man es gleichzeitig mit dem Rest verspeist. Auf diese Weise gibt es nicht viel abzuspülen.«
Wieder musste ich lachen. Als die Kellnerin kam, um unsere Bestellung aufzunehmen, würdigte sie mich kaum eines Blickes und konzentrierte sich voll auf Koby. Er bestellte für uns beide, nur mein Getränk bestellte ich selbst. Nachdem sie gegangen war, sagte ich zu ihm: »Ich glaube, sie mag mich nicht.«
»Wahrscheinlich ist sie bloß schüchtern und spricht nicht besonders gut Englisch. Oder es liegt daran, dass Sie meine Begleiterin sind und nicht zu uns gehören. Dabei gehöre ich in Wirklichkeit auch nicht dazu, weil ich Jude
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