Und der Herr sei ihnen gnädig
ich wieder aufblickte, war das Lächeln aus seinem Gesicht verschwunden. »Ja, meinetwegen.«
»Sie sind ein Schatz, Detective.«
»Und Sie sind eine Nervensäge, Decker.«
»Nicht böse sein. Wenn ich etwas herausfinde, dürfen Sie die Lorbeeren dafür ernten.«
Als ich nach Hause kam, waren schon wieder zwei neue Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter - eine weitere von meinem Dad und eine zweite von Hayley. Ich griff nach dem Hörer, überlegte es mir dann aber anders und schaltete stattdessen meinen Computer an, um nachzusehen, ob neue E-Mails eingetroffen waren. Zwischen zwei Werbeangeboten entdeckte ich Kobys Namen. Eigentlich hielt ich nicht viel von elektronischer Kommunikation, aber in diesem Fall war ich ja diejenige gewesen, die damit angefangen hatte. Ich klickte die Nachricht an.
Liebe Cindy,
muss mal wieder eine Doppelschicht einlegen. Ist aber gut. Besser, als über den Unfall nachzudenken. Melde mich später telefonisch. Liebe Grüße, Koby.
Verglichen mit meinen überschwänglichen Anrufen war das eine ziemlich kurze EMail, aber wahrscheinlich ging es bei seiner Arbeit gerade um Leben und Tod, sodass er keine Zeit hatte, Nettigkeiten mit mir auszutauschen. Ich schrieb ihm eine kurze Antwort, in der ich ihm - diesmal weniger enthusiastisch - noch einmal mitteilte, wie sehr mich sein schnelles Reagieren nach dem Unfall beeindruckt hatte.
Vielleicht würde es ihm ein Lächeln entlocken.
Vielleicht würde es ihn zu einem Anruf veranlassen.
22
Diesmal war Decker derjenige, der zu spät kam. Cindy saß an einem Tisch ganz hinten in der Ecke, hatte bereits einen Kaffee vor sich stehen und war in eine Zeitung vertieft. Aus der Ferne sah sie sehr jung und verletzlich aus, aber vielleicht erschien ihm das nur so, weil sie seine Tochter war. Bevor er an ihren Tisch trat, holte er tief Luft und lächelte.
»Tut mir Leid. Es war so viel Verkehr.«
»Kein Problem. Auf diese Weise hatte ich ein bisschen Zeit zum Entspannen, das kommt ohnehin selten vor.«
»Hast du viel zu tun?«
»Kann man wohl sagen.« »Wie geht es Koby?«, erkundigte sich Decker.
»Gut.«
Obwohl sie nur das eine Wort sagte, spürte er sofort, dass ihr ein Kloß im Hals saß, und wechselte ganz schnell das Thema. »Unser Dienstagsfrühstück scheint eine richtige Tradition zu werden. «
»Eine, die mir sehr gut gefällt«, bemerkte Cindy.
Sie wirkte bedrückt, was zur Folge hatte, dass ihm ebenfalls das Herz schwer wurde.
Als Vater hatte man es wirklich nicht leicht. »Geht es dir gut, Liebes? Es muss ein ziemlich traumatisches Erlebnis gewesen sein, diesen Unfall mit anzusehen.«
Sie setzte zu einer Antwort an, überlegte es sich dann aber anders und nickte bloß. »Verkehrsunfälle sind grundsätzlich etwas ganz Schreckliches. Ich kann mich noch ganz genau an einen besonders schlimmen Unfall erinnern, obwohl das nun schon zwanzig Jahre her ist.«
Cindy betrachtete das traurige Gesicht ihres Vaters. »Hast du gesehen, wie es passiert ist?«
»Nein, wir kamen nur als erste Streife an den Unfallort. Das war furchtbar genug.
Wenn ich mir vorstelle, ich hätte das Ganze auch noch mit ansehen müssen. ... Ich verstehe gar nicht, wie du da schon wieder arbeiten kannst.« Er gab der Kellnerin ein Zeichen, ihm einen Kaffee zu bringen. »Du bist viel stärker als ich.«
»Das glaube ich nicht, Dad.«
»O doch. Ich wäre ein Fall für die Klapsmühle.«
»Daddy, du warst in deinem ganzen Leben noch kein Fall für die Klapsmühle.«
»Dann habe ich mich wohl bemüht, ein guter Vater zu sein, und es nicht gezeigt.«
Cindy betrachtete ihn nachdenklich. Bestimmt hatte er im Lauf der Jahre mit Hunderten von schlimmen Fällen zu tun gehabt. Trotzdem war er ihr immer ruhig und gelassen vorgekommen, von den letzten Monaten mal abgesehen.
»Und wie geht es dir?«, fragte Cindy.
»Gut, danke.«
Die Kellnerin kam mit dem Kaffee. »Möchten Sie schon bestellen?«
Cindy bestellte Toast, Obst und eine zweite Tasse Kaffee, Decker schloss sich ihr an. Nachdem die Kellnerin gegangen war, nahmen sie beide einen Schluck von dem schwachen Gebräu und lächelten sich unbehaglich an.
»Wem machen wir eigentlich was vor?«, begann Cindy schließlich. »Dir geht es nicht besonders und mir auch nicht.«
Decker tätschelte ihre Hand. »Kann ich dir helfen?«
»Nein«, antwortete sie. »Ich dir?«
»Nein. Und selbst wenn du es könntest, würde ich trotzdem Nein sagen. Eltern kümmern sich um ihre Kinder, nicht andersherum. «
»Wirst du
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