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und der Hongkong-Buddha

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Titel: und der Hongkong-Buddha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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durch einen schmalen Korridor und öffnete eine Tür auf der linken Seite des Gangs. Sie traten in einen winzigen Raum, der nur von einer müde dahinglimmenden Öllampe auf einem windschiefen Tisch erleuchtet wurde. Am Tisch saß ein junger Mann, der nervös aufsprang, als er bemerkte, daß Lotus nicht alleine gekommen war. Es war Sheng Ti.
    »Xiánsheng!« rief er aus. »Ich wollte es nicht glauben!«
    Lachend ergriff Mrs. Pollifax seine ausgestreckte Hand. »Doch, doch - ich bin es, Sheng Ti! Eine gelungene Überraschung, nicht wahr? Wie schön, dich wiederzusehen!« Doch noch während sie ihn begrüßte, stellte sie bestürzt fest, wie sehr er sich verändert hatte. Sein hübsches, in ihrer Erinnerung so lebhaftes und strahlendes Gesicht war eingefallen und hager, und in seinen Augen lagen Trauer und Verzweiflung.
    »Und nun sag mir, Sheng Ti, weshalb will man verhindern, daß wir uns treffen?«
    Sheng Ti antwortete mit einem unverständlichen Schwall chinesischer Worte. Hilfesuchend wandte sich Mrs. Pollifax an Lotus.
    Das Mädchen legte ihre Hand beruhigend auf Sheng Tis Arm. »Setzen wir uns doch«, sagte sie mit einem Blick auf die drei Stühle, die um den kleinen Tisch gruppiert waren.
    Mrs. Pollifax sah sich in dem winzigen Raum um. Das einzige Fenster war mit einer Decke verhangen, und das trübe Licht der Öllampe warf gespenstische Schatten an die Wände.
    Mrs. Pollifax konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, an einer verschwörerischen Zusammenkunft in einer Höhle in den Bergen Chinas teilzunehmen. Sie ließ sich auf einen der Stühle sinken und wiederholte die Frage: »Weshalb will man verhindern, daß wir uns treffen?«
    Sheng Ti hielt erschreckt den Atem an. »Wenn die wüßten, daß wir uns hier treffen, dann...«
»Dann?«
»Dann würden sie uns umbringen!«
Mrs. Pollifax wandte sich erstaunt an Lotus. »Glauben Sie das
    auch?«
»Ja«, erwiderte das Mädchen, ohne zu zögern. »In der Dragon
Alley 31 stimmt etwas nicht. Zunächst waren es nur
Kleinigkeiten... nichts Ernsthaftes, bis ich mich öfters mit Sheng
Ti unterhielt und wir Freunde wurden...«
»Wir lieben uns«, erklärte Sheng Ti.
Lotus wurde rot und lächelte schüchtern. »Ja - wir lieben uns.
Es ist wunderschön, aber... Aber wir müssen uns heimlich
treffen. Und jetzt weiß ich, was sie von ihm verlangen.« Sie
schüttelte verwirrt den Kopf.
»Was verlangen sie von ihm?« fragte Mrs. Pollifax. »Sagen
Sie es mir, bitte. Es ist sehr wichtig!«
»Zuerst alles gut«, begann Sheng Ti stockend! »Ich kam
hierher... vor Lampionfest...«
»Im September«, erklärte Lotus.
»Ja. Und alles sehr gut! Arbeit in Laden. Aber dann kurz vor
Neujahr...« Er schüttelte erregt den Kopf. »Alles anders. Mr.
Feng und Mr. Detwiler viel Streit. Ich höre sie - durch Tür. Und
dann neue Arbeit für mich.« Offensichtlich frustriert von seinem
Englisch wandte sich Sheng Ti an Lotus und sprach in
Chinesisch auf sie ein.
»Er sagt, daß es ihm in Turfan nichts ausgemacht hat, zu
stehlen«, übersetzte das Mädchen, »denn in China war das für
ihn die einzige Möglichkeit, nicht zu verhungern. Aber er hatte
geglaubt, hier in Hongkong könnte er zur Schule gehen und
einen Beruf erlernen.«
Mrs. Pollifax nickte. »Ja - sicherlich. Aber was ist das für eine
Arbeit, die sie von ihm verlangen?«
»Stehlen!« erwiderte Lotus. »Zwei Monate lang hat ihm ein Mann namens Hoong beigebracht, wie man als Taschendieb
arbeitet. Sie schicken ihn als Taschendieb zum Arbeiten.« »Was?!« rief Mrs. Pollifax entsetzt.
Sheng Ti nickte bekräftigend. »Alles schlimm jetzt. Sehr
schlimm. Mr. Detwiler schlägt mich. Ist sehr böse. Mr. Feng
macht Laden jetzt - aber auch sehr böse. Mr. Detwiler nimmt
Heroin«, berichtet Sheng Ti aufgeregt. »Ich einmal gesehen
lange Nadel und weißes Pulver. Dann schlägt mich wieder,
wenn ich gesehen.«
»Mein Gott!« flüsterte Mrs. Pollifax voller Anteilnahme. »Ja.«
»Und was mußt du stehlen?« erkundigte sie sich.
»Pässe«, antwortete Sheng Ti.
Dies war eine Überraschung. »Pässe?« fragte sie erstaunt. »Kein Geld?«
Sheng Ti schüttelte den Kopf.
»Welche Pässe?« erkundigte sich Mrs. Pollifax und versuchte,
eine Erklärung für das, was sie soeben gehört hatte, zu finden.
»Wie viele? Und von wem?«
Lotus antwortete für Sheng Ti. »Er hat mir nicht alles erzählt,
aber soweit ich weiß, schicken sie ihn in einem sehr eleganten
Anzug in das Regierungsviertel oder manchmal auch zum
Flughafen. Zwei der Pässe, die er gestohlen

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