und der Hongkong-Buddha
hat, habe ich
gesehen. Einer war bulgarisch und einer kanadisch.« Sheng Ti
sagte etwas auf chinesisch zu ihr, und sie nickte. »Er sagt, bisher
habe er elf Pässe für Mr. Detwiler gestohlen.«
»Elf«, wiederholte Mrs. Pollifax und legte ratlos die Stirn in
Falten.
»Wenn Sheng Ti und ich nicht Freunde geworden wären, und
er mir nicht alles erzählt hätte, hätte ich gar nichts bemerkt«,
sagte Lotus. »Bei FengImports ist alles sehr undurchsichtig,
und man hält alles von mir fern. Ich schreibe nur die Rechnungen, erledige die Geschäftspost und wische im Laden Staub. Aber ich habe den Streit, die Auseinandersetzungen zwischen Mr. Feng und Mr. Detwiler gehört; ihre Stimmen zumindest und...« Sie schüttelte den Kopf. »Etwas ist nicht in Ordnung bei FengImports . Sheng Ti würde am liebsten weglaufen, aber sie haben ihm alle seine Papiere abgenommen.
Und ohne Papiere kommt er nicht weit.«
Mrs. Pollifax beugte sich über den Tisch, und ihre Stimme
klang heiser. »Er soll nicht weglaufen. Sagen Sie ihm, er soll
bitte bleiben und uns helfen. Die Leute, die ihn zu FengImports
geschickt haben, wissen, daß dort etwas nicht in Ordnung ist.
Deshalb bin ich hier.«
»Diese Leute werden dir helfen«, sagte sie zu Sheng Ti
gewandt. »Wenn du ihnen hilfst, werden sie auch dir helfen.« Die Worte Bishops fielen ihr wieder ein, der gesagt hatte: »Wir sind bereit, ihm die Einreise in die Vereinigten Staaten
anzubieten; allerdings nur, wenn er eine angemessene
Gegenleistung bringt. Er muß es sich verdienen. Seine
Informationen müssen ausreichen, um...« Sie wagte im
Augenblick nicht, davon zu sprechen, dennoch genügten seine
Aussagen nicht, das Problem › FengImports ‹ zu lösen.
»Könntest du mehr herausfinden, Sheng Ti? Könntest du Mr.
Detwiler beschatten? Feststellen, wohin er geht und wen er
trifft? Wenn du das herausfindest, verspreche ich dir, daß du
deine Papiere zurückbekommst - und eine andere Arbeit und
eine Ausbildung... Man hat mir gesagt, das kann ich dir
versprechen. Aber zunächst müssen wir herausbekommen, was
bei FengImports los ist. Und das kannst nur du allein
herausfinden.«
Sheng Ti runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach.
Seine Augen suchten Lotus' Blick. »Ich kann schon nicht mehr
klar denken«, sagte er und lachte bitter. »Ich alles tun, alles
will weg von dort! Sie mir geben neue Hoffnung.« Er wechselte
mit Lotus ein paar Worte in Chinesisch.
»Er ist dazu bereit«, sagte das Mädchen. »Und ich ebenfalls.« »Sehr gut. Ich glaube nicht, daß sie gegen mich einen
Verdacht hegen - obwohl oder gerade weil sie mich heute
morgen beschatten ließen.«
Noch im selben Augenblick bereute sie, daß sie davon
gesprochen hatte, denn Sheng Ti sprang erregt auf. Panik stand
in seinen Augen. »Sie wurden verfolgt? Hierher?!«
»Nein, nein«, beruhigte ihn Mrs. Pollifax. »Heute morgen, als
ich den Laden verließ. Hierher ist mir niemand gefolgt dessen
bin ich mir ganz sicher.«
»Aber sie haben vielleicht... Ich muß weg!« Er versuchte, der
Angst Herr zu werden, die ihn ergriffen hatte. »Oh, bitte! Was
machen wir jetzt?« rief er verstört.
»Setz dich bitte wieder hin, Sheng Ti«, versuchte Mrs.
Pollifax ihn zu beruhigen.
»Nein! Lassen Sie ihn gehen«, mischte sich Lotus ein. »Geh'
wieder in die Nummer 40 zurück, Sheng. Du hast jetzt zwei
Nächte nicht mehr geschlafen. Ich erzähle dir später, was sie
gesagt hat.«
Sheng Ti gelang es, ein mattes Lächeln zustande zu bringen,
doch er stand auf, um zu gehen. Unter der Tür drehte er sich
noch einmal um und warf Mrs. Pollifax einen flehenden Blick
zu, dann war er verschwunden.
»Sie haben keine Angst vor ihnen?« wandte sich Mrs. Pollifax
nach einer Weile wieder an Lotus.
»Nein. Aber ich habe Angst um Sheng Ti«, antwortete das
Mädchen. »Er fürchtet, man könnte ihn wieder nach Rotchina
zurückschicken. Dort wird er früher oder später wieder in einem
Arbeitslager landen. Ohne Papiere hat er keine Chance!« Jemand klopfte an der Tür, und Mrs. Pollifax - deren Nerven
von der bedrückenden Atmosphäre in dem engen Zimmerchen offenbar ebenso überreizt waren, wie die der beiden jungen Leute - sprang erschreckt auf und starrte gebannt zur Tür. Das Mädchen erhob sich, öffnete die Tür einen winzigen Spalt und redete in Chinesisch auf den späten Gast, oder wer immer dort draußen im Korridor stehen mochte, ein. Lotus schloß die Tür und kehrte an den Tisch zurück. »Ich teile das Zimmer mit zwei Mädchen, und ich mußte sie
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