und der Hongkong-Buddha
vorlegte, um endlich in ihr Zimmer zu kommen und ihre schmerzenden Füße zu pflegen, bemerkte sie im Vorbeigehen im Schaufenster einer Boutique eine Reihe von Buddhastatuen. Eine dieser Buddhafiguren war der, die Detwiler ihr geschenkt hatte, ziemlich ähnlich, und Mrs. Pollifax blieb stehen, um einen Blick auf die Statue und das Preisschild zu werfen. Sie war zwar ebenfalls aus Elfenbein, doch die Schnitzereien waren bei weitem nicht so kunstvoll und perfekt wie bei ihrem Buddha.
Und der Preis - ungläubig trat sie noch einen Schritt näher und rechnete in Gedanken ein zweites Mal nach... Ihr stockte der Atem, denn umgerechnet kostete der Buddha im Fenster beinahe siebenhundert Dollar.
»Ich brauche schleunigst ein heißes Bad«, dachte sie voller Unbehagen, »denn allmählich geht mir der Fall an die Nieren. Detwiler, den Carstairs im Verdacht hat, ein Überläufer zu sein, schenkt mir einen Buddha, der ein paar hundert Dollar wert ist... Jedermann bei FengImports versucht, ein Treffen mit Sheng Ti zu verhindern, und doch wird mir seine Adresse auf mysteriöse Weise zugespielt... Ich werde beschattet und weiß nicht weshalb… Das Geschenk kann ebensogut als Bestechung gedacht sein, und die Nachricht auf dem Reispapier könnte eine Falle sein...«
Mit ihrem Verfolger im Schlepptau stieg Mrs. Pollifax in den Aufzug, der sie nach oben, in die Hotelhalle beförderte.
An der Rezeption holte sie ihren Zimmerschlüssel und wankte zurück zum Fahrstuhl. Ehe sich die Aufzugtür schloß, galt ihr letzter Blick ihrem ständigen Begleiter, der sich soeben erschöpft in einen der weichen und bequemen Sessel in der Lobby fallen ließ und dankbar die Beine von sich streckte.
Mrs. Pollifax genügten zweieinhalb Stunden, um wieder völlig auf dem Damm zu sein. Sie hatte sich - wie es einer Touristin zustand, die trotz eines anstrengenden Flugs den ganzen Tag durch Hongkong gebummelt war - das Essen auf das Zimmer bringen lassen, und nach einem erfrischenden Bad war sie bereit, sich in ihr nächtliches Abenteuer zu stürzen. Für den Abend verzichtete sie auf ihren Rosengarten und nahm mit einem dunklen Kopftuch vorlieb, das zu ihrer schwarzen Hose und der ausgeschnittenen Bluse paßte, die sie für den Ausflug angezogen hatte. Sie steckte den Stadtplan und eine Taschenlampe in ihre Handtasche, dann fuhr sie mit dem Aufzug bis in den zweiten Stock. Von dort nahm sie die Treppe, die in die Hotelhalle hinabführte. Da das Untergeschoß nur mit dem Aufzug zu erreichen war, blieb ihr nichts anderes übrig, als ein Stück durch die Halle zu gehen.
Sie erreichte das Untergeschoß und schlenderte durch die Boutiquen, die noch immer geöffnet waren. Eine Weile blieb sie stehen und sah amüsiert zwei kichernden jungen Chinesinnen zu, die an einem elektronischen Meßgerät versuchten, ihren Blutdruck zu messen. Als sie schließlich sicher war, daß sie nicht verfolgt wurde, ging sie hinaus auf die Garden Road. Sie ging einige Blocks zu Fuß, ehe sie ein Taxi heranwinkte, das sie durch die von roten, goldenen und grellweißen Neonreklamen erhellten Straßen von Hongkong chauffierte.
Es war bereits zehn nach zehn, als sie über die Bank stolperte, auf der sie am Morgen gesessen hatte. Die Dragon Alley war beklemmend dunkel; nicht einmal der kleinste Streifen Licht fiel durch die verriegelten Fenster. Am Tor zum Hinterhof der Hausnummer 40 ließ sie kurz ihre Taschenlampe aufblitzen. Behutsam öffnete sie das Tor und schob sich durch den schmalen Spalt. Im Hof war es heller als auf der Straße.
Aus dem Rückgebäude des angrenzenden Hauses, offenbar ein Nachtclub oder ähnliches, strömten Licht und laute Musik in den Hof.
Mrs. Pollifax konnte die Umrisse einer kleinen und niedrigen Hütte erkennen, die gegen die Seitenwand des Nachbargebäudes gebaut war. Auf einer Bank vor der Hütte entdeckte sie die schemenhafte, zierliche Gestalt eines Menschen. Mrs. Pollifax schlich sich vorsichtig näher.
»Oh!« Mit einem erstickten Schrei sprang die Gestalt auf.
Es war Lotus. In dem matten diffusen Licht leuchtete ihr Gesicht wie durchscheinendes Porzellan.
»Also doch Sie!« flüsterte Mrs. Pollifax.
»Kommen Sie!« flüsterte Lotus zurück. »Hier sind wir nicht sicher! Scht... ganz leise, bitte.«
Sie folgte der zierlichen Gestalt, die in den dunklen Schatten der Mauer tauchte und auf die Rückfront des Gebäudes zustrebte, aus dem die Musik drang. Mrs. Pollifax hörte, wie vor ihr eine Tür geöffnet wurde, dann zog das Mädchen sie
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