und der Hongkong-Buddha
sich gelohnt hatte, und der Hunger, den sie seit Stunden verspürte, war plötzlich gar nicht mehr so quälend. Zufrieden schloß sie die Augen, und widmete sich genießerisch der Vorstellung von einem köstlichen Dinner und einem langen, heißen Bad. Dann würde sie ihre Jogaübungen machen und konzentriert und in Ruhe über ihre nächsten Schritte nachdenken.
Sie öffnete träge die Augen, und ihr Blick fiel auf die Pakete, die sie den ganzen Nachmittag durch Hongkong geschleppt hatte: Cyrus' Krawatte und der Buddha aus Elfenbein. Einer plötzlichen Laune folgend öffnete sie das kleinere der Päckchen und hielt die Krawatte in das Licht der Sonne. Ob Cyrus dieser Blauton gefallen würde? Sie hegte mittlerweile ihre Zweifel. Sie legte die seidene Krawatte beiseite und griff nach dem Buddha, um die kunstvollen Elfenbeinschnitzerei noch einmal in Ruhe zu bewundern.
Sie streifte das Packpapier von der Statue und entdeckte zu ihrer Verblüffung ein kleines Stück Reispapier, das über eine Hand des Buddhas geklebt war. Sie riß das Papier ab, und in dem Augenblick, als sie es achtlos in den Wind werfen wollte, fiel ihr auf, daß das Papier mit winzigen Buchstaben beschrieben war. Sie hielt das Stück Reispapier näher an ihre Augen und las:
»Wenn Sie Sheng Ti sehen wollen, finden Sie ihn in einer Hütte im Hinterhof von Nummer 40, Dragon Alley... Nach zehn Uhr...«
4
Etwas verunsichert und ziemlich verwirrt schlüpfte Mrs. Pollifax in ihre Schuhe, und ohne einen weiteren Blick an die Schönheit der Landschaft zu verschwenden, strebte sie der Station der Gipfelbahn zu und nahm den nächsten Waggon zurück in die Stadt.
»Wie?« fragte sie sich ratlos. Und dann: »Wer?« Und schließlich: »Bei welcher Gelegenheit?«
Während der schwindelerregend steilen Fahrt zurück in die Stadt schweifte ihr Blick ziellos über die grünen Wipfel der Bäume und die Dächer der Villen, die sich unter ihr an die Flanken des Berges schmiegten. Ihre Gedanken waren bei FengImports und versuchten, den Schauplatz und die Geschehnisse dort zu rekonstruieren. Mr. Detwiler hatte ihr den Buddha wieder aus der Hand genommen und ihn direkt vor ihren Augen Lotus gegeben. Es erschien ihr äußerst unwahrscheinlich, daß die Nachricht von ihm stammte; vor allem weil er sich geweigert hatte, ihr ein Treffen mit Sheng Ti zu ermöglichen. »Würden Sie das bitte Mr. Feng bringen. Er soll es für die Dame einpacken«, hatte Detwiler zu dem Mädchen gesagt, doch Mr. Feng hatte wohl kaum den Zettel auf die Hand des Buddhas geklebt, denn er hatte ihr gegenüber nicht einmal die Existenz Sheng Tis zugegeben.
Die Bahn fuhr in die Station ein, und Mrs. Pollifax überquerte die Garden Road und strebte hinkend dem Hongkong-Hilton zu. Sie war zu dem Schluß gekommen, daß allein das Mädchen den Zettel aus Reispapier an den Buddha geklebt haben konnte. Dies setzte jedoch voraus, daß sie die Unterhaltung mit Detwiler belauscht und jedes Wort, das im Hinterzimmer gesagt wurde, verstanden hatte.
An verschlossenen Türen zu lauschen schien bei FengImports eine allgemein verbreitete Unart zu sein. Zuerst Detwiler und dann auch das Mädchen... Ob wohl Mr. Feng bei ihrem Gespräch mit Detwiler in irgendeiner Form ebenfalls mitgehört hatte?
Als Mrs. Pollifax endlich den in den Garden Road gelegenen Eingang zum Hilton erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal nach ihrem Verfolger um. Der Mann mit dem Diplomatenkoffer war noch immer hinter ihr, und nur mit Mühe unterdrückte sie den Wunsch, ihm zum Abschied zuzuwinken und ihm zu sagen, er könne sich jetzt in Ruhe seinem Abendessen widmen. Wie unendlich schade, daß sie sich diese freundschaftliche und verbindende Geste nicht erlauben durfte - schließlich hatten sie ja gemeinsam den ganzen Nachmittag verbracht, und seine Füße taten ihm sicherlich ebenso weh, wie ihr die ihren -, denn dies würde ihn sicherlich zutiefst frustrieren und möglicherweise auf den Gedanken bringen, daß sie doch nicht die arglose Touristin war, als die sie sich ausgegeben hatte. Sie nahm sich vor, um zehn Uhr, wenn sie das Hotel erneut verlassen würde, um Sheng Ti zu treffen, besonders vorsichtig zu sein. Er folgte ihr bis ins Untergeschoß des Hotels, durch die unterirdischen Ladenstraßen, in denen sich eine Boutique an die andere reihte und wo alles zu finden war, was der Tourist in Hongkong zu kaufen begehrt: Kameras, Uhren, Schmuck, Edelsteine, Teppiche und Kunstgegenstände. Obwohl Mrs. Pollifax nun ein beachtliches Tempo
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