… und der Preis ist dein Leben II - Ruf der anderen Seite (German Edition)
Artikel den Grundstein für ihre Selbstständigkeit legen konnte. Naja, auch wenn niemand wissen würde, dass sie die Verfasserin des Textes war, so konnte Sir Thomas noch immer an den richtigen Stellen ein gutes Wort für sie einlegen.
„Natürlich“, sagte sie deshalb. „Kein Problem.“
„Sehr schön. Dann freue ich mich auf den überarbeiteten Text. Ach, ehe ich es vergesse, ich wollte Ihnen ja auch von unserem Freund Richard Warborough berichten.“
„Von wem?“ Der Name sagte Elizabeth gar nichts.
„Sie haben ihn vergangene Woche während unserer spiritistischen Zusammenkunft kennengelernt, meine Liebe“, erklärte Sir Thomas geduldig. „Nun, jedenfalls war er von der Geschichte über Eleonor und Dorian so angetan, dass er den Stoff in einer Kurzgeschichte verarbeitet hat, und diese wird bereits nächste Woche erscheinen.“
„Tatsächlich? Wie schön für ihn. Und was für ein Zufall, wir … ich habe gerade heute Morgen an Eleonor und Dorian gedacht.“
„Ja, das ist eine dieser bittersüßen Geschichten, die einem lange im Gedächtnis bleiben, nicht wahr?“
„In der Tat.“ Elizabeth warf durch die Fensterscheibe einen Blick auf Daniel, der noch immer am Küchentresen saß und über irgendetwas lachte. Als würde er ihre Augen auf sich spüren, drehte er den Kopf in ihre Richtung und zwinkerte ihr zu.
„Aber Richard fand wohl das Ende zu deprimierend und hat sich eine kleine künstlerische Freiheit herausgenommen“, sagte Sir Thomas unterdessen.
„Das heißt, in seiner Kurzgeschichte bringt sich Eleonor am Ende nicht um?“
„Oh doch, das schon. Nur sind in Richards Version sie und Dorian danach nicht für immer voneinander getrennt, sondern auf ewig vereint.“
Elizabeth horchte auf. „Wieso sollten Eleonor und Dorian voneinander getrennt sein, nachdem sie sich umgebracht hat?“
„Nun, Dorian hat zu lange bei Eleonor verweilt. Dadurch wird ihm der Himmel, das Paradies, oder wie sie es auch nennen wollen, für immer verwehrt bleiben.“
„Was? Ich … ich verstehe nicht …“
„Ach richtig“, sagte Sir Thomas so liebenswürdig, als hätte er ihre verstörte Reaktion gar nicht bemerkt. „Als wir darüber sprachen, hatten Sie uns ja bereits verlassen. Es ist so, meine Liebe, wenn sich Geistwesen zu lange dem Lauf der Natur widersetzen, will sagen, nicht hinüber in die nächste Welt wechseln, wie es ihnen bestimmt ist, so ist es ihr Schicksal, auf ewig hier in dieser Welt zu verweilen, wo sie langsam zu einem Schatten, einem Schemen ihres einstigen Selbst verblassen. Ohne Erinnerung, ohne Vergangenheit und ohne Zukunft.“ Er räusperte sich. „Sehen Sie, Elizabeth, im Weltengefüge ist es nicht vorgesehen, dass die Toten unter den Lebenden wandeln. Ihnen ist es zwar gestattet, letzte Angelegenheit zu regeln, Abschied zu nehmen, doch wer sich dem Ruf der anderen Seite zu lange entzieht und die Gelegenheit verpasst … nun ja, ich schätze, das ist es, was die Menschen gemeinhin unter der Hölle verstehen. Für alle Zeiten einsam durch die Welt zu wandern, schwindend, bis kaum noch etwas von einem übrig ist.“
„Und das ist Dorian passiert?“, fragte Elizabeth kaum hörbar. Mit einem Mal schien die Welt sich schneller zu drehen und ihr die Beine unter dem Körper wegzuziehen. Ihre zittrigen Finger krallten sich um das Geländer.
Sie weigerte sich, daran zu glauben. Welche höhere Macht würde so eine Ungerechtigkeit zulassen? Das konnte, das durfte einfach nicht sein!
Aber in Wahrheit hast du es doch die ganze Zeit gewusst , flüsterte eine innere Stimme. Du hast gespürt, dass dieses Damoklesschwert über euch schwebt, und die gemeinsame Zeit nur geborgt ist.
Ihre fiebrigen Gedanken überschlugen sich. Was, wenn Sir Thomas sich irrte? Verdammt, er war doch nichts weiter, als ein alter Antiquitätenhändler!
Doch andererseits wer, wenn nicht Hamilton, wusste über solche Dinge Bescheid? Er war kein geltungssüchtiger Scharlatan wie Worthing. Immerhin beschäftigten sich er und seine Spiritisten-Freunde seit Jahrzenten intensiv und auf seriöse Weise mit der Thematik. Das hatte sie selbst erlebt. Nicht zu vergessen war er es gewesen, von dem sie die Sache mit dem Sonnenauf- und –untergang erfahren hatten, und er wusste von dem Ruf, wohingegen das sogar für Riley völlig neu gewesen war.
Elizabeth rang nach Atem und nach jedem Wort. „Warum ist Eleonor nicht bei ihm geblieben? Wie konnte sie alleine hinübergehen und Dorian zurücklassen.“
„Oh, aber sie
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