… und der Preis ist dein Leben II - Ruf der anderen Seite (German Edition)
zurechtzumachen. Dafür nahm sie sich etwas mehr Zeit, denn sie wollte für Daniel so gut wie möglich aussehen. Sie knetete ihre schulterlangen Locken, bis sie wie Korkenzieher sprangen, und legte dann etwas Make-up auf, um ihre ungewohnte Blässe zu kaschieren.
Gott sei Dank waren die Blutergüsse endlich so gut wie verschwunden und mussten nicht mehr abgedeckt werden. Als Letztes knipste sie sich noch große silberne Kreolen ans Ohr. Die Haare etwas hin und her schwingend betrachtete sie ihr fertiges Werk im Spiegel. Ja, so sollte Daniel sie in Erinnerung behalten.
Ein glühender Schmerz schoss durch ihre Brust und ließ sie zusammenzucken. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und pressten in ihren Magen. Das waren genau die Art Gedanken, die sie sich heute nicht erlauben durfte. Die Art Gedanken, die sie verraten würden. Auf keinen Fall durfte Daniel sie so sehen. Keuchend rang Elizabeth um Fassung und kämpfte den Schmerz zurück, bis er erträglich wurde und sich nur noch wie Sodbrennen anfühlte. Beißend und schwer zu ignorieren, aber auszuhalten.
Es vergingen einige Minuten, bevor sie sich aus dem Badezimmer traute.
Daniel stand mit vor der Brust verschränkten Armen am Fenster. „Wow, du siehst umwerfend aus“, sagte er bewundernd. „Gibt es einen Anlass?“
Lächelnd trat Elizabeth auf ihn zu „Du bist Anlass genug.“
„Na dann … ziehen wir los.“
Sie begannen ihre Tour im Hyde Park, wo sie am Serpentine Lake entlang schlenderten. Wenigstens das Wetter schien es gut mit ihnen zu meinen, denn es war zwar angenehm warm und trocken, gleichzeitig sorgte eine dünne, geschlossene Wolkendecke dafür, dass Daniel durchgängig sichtbar war. Zudem waren die Wege im Park recht leer, sodass Daniel, der einen Arm um Elizabeth gelegt hatte, nicht ständig entgegenkommenden Spaziergängern ausweichen musste.
„Was denkst du, kommen Tony und Susan wieder zusammen?“ Elizabeth hatte ihr Headset am Ohr und sprach in normaler Lautstärke. Ihre rechte Hand hatte sie an ihre linke Schulter gelegt, sodass ihre Finger Daniels berührten.
„Die Chancen stehen nicht schlecht. Wenn Tony es nicht wieder vermasselt.“
„Susan sagte, sie habe hin und wieder das Gefühl, als schäme sich Tony für sie.“
„Hm“, machte Daniel. „Wahrscheinlich liegt sie damit noch nicht mal falsch. Auch wenn er nach Kräften dagegen ankämpft, ich glaube, tief in seinem Inneren schlummert noch immer ein kleiner Snob.“
„Wie war das, als ihr euch kennengelernt habt?“
„Da habe ich den Wood´schen Snobismus am eigenen Leib zu spüren bekommen“, lachte Daniel. „Er war der Meinung, dass ich höchstens zum Sozialarbeiter tauge, aber im Polizeidienst nichts zu suchen hätte.“
„Wie nett!“
„Oh, aber ich war keinen Deut besser. Ich dachte, dass jemand, der bisher ein so behütetes und sorgenfreies Leben geführt hatte wie er, nicht dazu fähig ist, sich in Kriminelle hineinzuversetzen. Das habe ich ihm damals auch deutlich zu verstehen gegeben.“
„Trotzdem habt ihr euch zusammengerauft.“
„Ja, aber das hat eine Weile gedauert. Ausschlaggebend war Richard Merton, unser Chef. Er hat erkannt, dass wir uns durch die unterschiedliche Herkunft und die daraus resultierende Denkweise perfekt ergänzen, und hat deshalb ein Team aus uns gemacht. Tonys Respekt habe ich mir verdient, als wir in einer Entführung ermittelten. Ein kleines Mädchen war verschwunden, und es stellte sich heraus, dass der leibliche Vater der Entführer war. Man hatte der Mutter das Sorgerecht zugesprochen, und der Vater, vorbestraft und drogensüchtig, hätte die Tochter nicht mehr sehen dürfen. Als wir ihn schließlich aufgespürt haben, drohte er, mit dem Kind in den Tod zu springen. Ich sehe es noch genau vor mir, diese kleine verlotterte Wohnung und der Typ, der das zappelnde, weinende Mädchen im Arm hält und schon halb zum Fenster hinaus geklettert ist.“
„Und dann?“
„Ich konnte es ihm ausreden. Zunächst hat er nur seine Tochter gehen lassen und wollte noch immer selbst springen, doch dann konnte ich ihn dazu bewegen in die Wohnung zurück zu klettern, und er ließ sich widerstandslos festnehmen.“ Er lächelte leise, als er daran zurückdachte, wie er zwei Menschleben gerettet hatte. „Das war so ziemlich der beste Tag meines Lebens.“
„Und ich dachte, der Tag an dem du mir begegnet bist, war der beste Tag deines Lebens“, stichelte Elizabeth.
„War er auch. Bis er dann zum schlimmsten Tag meines Lebens
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