… und der Preis ist dein Leben III - Dunkle Bestimmung (German Edition)
sie das zugewachsene Eisengitter übersehen. Mithilfe des Dolchs kämpfte sie sich einen Weg durch das dornige Gestrüpp und schob ächzend das schwere, rostige Gitter soweit zur Seite, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Der Vollmond war noch nicht aufgegangen, deshalb erkannte sie kaum, wohin sie trat.
Zu ihrem Leidwesen musste sie feststellen, dass der Bachlauf nicht so trocken war, wie Simon ihn beschrieben hatte. Der Boden war schlammig, stellenweise stand das Wasser sogar einige Zentimeter hoch. Elizabeth wünschte, sie hätte Gummistiefel statt ihrer wasserdurchlässigen Turnschuhe an. In null Komma nichts hatten sich ihre Hosenbeine bis hoch zu den Knien mit kaltem Wasser vollgesogen. Womit Simon allerdings nicht übertrieben hatte, waren die Büsche und Sträucher, die entlang des flachen Grabens wuchsen, und somit eine hervorragende Deckung boten.
Geduckt folgte sie dem Bachlauf. Alles, was die abendliche Stille des Gartens durchbrach, waren das Flüstern des Windes in den knorrigen alten Laubbäumen, vereinzeltes Vogelgezwitscher und ihre schmatzenden Schritte im Morast.
Doch plötzlich hörte sie näherkommende Stimmen. Sofort kauerte sich Elizabeth auf den feuchten Boden und zog den Kopf ein. Ihre Finger schlossen sich noch fester um Sandras Athame-Dolch. Gleichzeitig beschwor sie die Erinnerung an Daniels Umarmung herauf. Sie spürte die Kraft, die in diesem Gedanken lag, und stellte sich vor, wie sie sich als schützende Hülle um sie legte.
„Hast du ihn gesehen?“, fragte eine Männerstimme.
„Ja“, entgegnete eine andere, ältere Stimme. „Ich habe zusammen mit Ed den Jungen untersucht. Ist ein ziemlich hübscher Bengel. Hatte vor zwei, drei Wochen einen Unfall beim Schwimmen, bei dem er fast ertrunken wäre. Für einige Minuten war er klinisch tot, aber er konnte wiederbelebt werden. Alle lebenswichtigen Zentren des Gehirns funktionieren einwandfrei, trotzdem ist da oben keiner mehr zu Hause. Körperlich ist er aber in bester Verfassung.“
„Natürlich ist er gut aussehend“, lachte die erste Stimme. „Alles andere hätte mich auch überrascht.“ Er seufzte. „Ich wäre ja zu gern dabei!“
„Ich weiß nicht“, meinte Nummer zwei zweifelnd. Die Stimmen entfernten sich und wurden leiser. „Ich habe gehört, es sei kein besonders schöner Anblick.“
„Und wenn schon. Stell dir doch nur vor wie …“
Elizabeth wartete, bis es wieder still um sie herum war, erst dann setzte sie ihren Weg fort. Schon wenige Minuten später sah sie das Dach des kleinen Gewächshauses, das ihr als Schutz dienen sollte. Sie konzentrierte sich auf ihren glücklichen Gedanken und lauschte angestrengt nach verdächtigen Geräuschen, bevor sie mit zwei großen Schritten aus dem Graben stieg und hinter dem Gewächshaus in Deckung ging. Sie schlotterte vor Kälte. Herbstlicher Wind, vor dem sie im Bachlauf geschützt gewesen war, fegte um sie herum und zog auch noch die letzte Wärme aus ihren nassen Beinen. Sie biss die Zähne fest aufeinander, damit sie nicht so laut klapperten. Dann spähte sie wachsam um die Ecke.
In den meisten Zimmern des Herrenhauses brannte Licht. Hinter einigen Fenstern konnte sie sich bewegende Schatten ausmachen, und auch die Küche vor ihr war hell erleuchtet.
Ihr Blick wanderte die Fassade entlang. Sie sah keine Kameras, doch einige Meter rechts von ihr konnte sie die Klappe zum Kohleschacht erkennen, die, laut Simon, ihr Weg ins Haus sein sollte.
Jetzt wurde ihr doch etwas mulmig. Vielleicht sollte sie lieber warten, bis sich die meisten schlafen gelegt hatten. Im Haus herrschte eindeutig zu rege Betriebsamkeit.
Seufzend schüttelte sie den Kopf. Sie konnte nicht warten. Zum einen würde sie erfrieren oder sich zumindest eine Lungenentzündung holen, zum anderen war es gut möglich, dass es heute auf Camley Hall überhaupt keine Nachtruhe geben würde. Also überprüfte sie ein letztes Mal die nähere Umgebung, dann sprintete sie zum Kohleschacht.
Wie Simon versprochen hatte, war er unverschlossen. Sie setzte sich auf die Kante, ließ die Füße baumeln und versuchte abzuschätzen, wie weit es wohl hinunterging. Alles, was sie sah, war ein schwarzes, bodenloses Loch. Zudem machte sie sich Sorgen um den Dolch in ihrer Hand. Wie sollte sie ihn halten, ohne sich bei der Landung selbst zu verletzen? Ihn in den Hosenbund zu stecken, wäre vermutlich noch gefährlicher …
Wenige Meter vor ihr wurde eine Tür geöffnet, und ein älterer Mann trat Pfeife rauchend in die
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