… und der Preis ist dein Leben - Mächtiger als der Tod (German Edition)
Kleidung vor dem offenen Schrank auf den Boden gleiten lassen. Dann war sie in Trainingshose und Sweat-Jacke geschlüpft.
Bei Sonnenuntergang hatte sie einer Statue gleich aus dem Wohnzimmerfenster gestarrt und daran gedacht, wie sehr sie diesem Moment entgegengefiebert hatte. So sehr hatte sie sich darauf gefreut, Daniel endlich, wenn auch nur für wenige Minuten, mit ihren Armen zu umfangen und an sich zu ziehen. Ihn zu halten und von ihm gehalten zu werden …
In der Wohnung brannte kein einziges Licht, der Fernseher lief nicht und auch nicht das Radio. Elizabeth lauschte den Geräuschen der Stadt vor ihrem Fenster und dem Gefühlsdesaster in ihrem Inneren. Würde Daniel zurückkommen, und wenn auch nur, um sich zu verabschieden? Oder würde sie ihn nie wieder sehen? Falls er wiederkäme, gäbe es dann noch mal eine Chance, ihn zum Bleiben zu bewegen? Sie erinnerte sich daran, was Kim ihr über deren Streit mit Daniel erzählt hatte. Dass er sich einfach ohne ein Wort umgedreht hatte und gegangen war.
Kim hatte ihn danach nicht wieder gesehen …
Nein, diesen Gedanken durfte sie sich nicht erlauben, denn wenn sie daran dachte, dass Daniel unwiederbringlich aus ihrem Leben verschwunden sein könnte, drohte die trostlose Zukunftsaussicht sie zu ersticken.
Er würde zurückkommen, ganz sicher!
Plötzlich klingelte das Telefon, und Elizabeth zuckte heftig zusammen. Da jedoch die einzige Person, mit der sie reden wollte, ganz sicher nicht am anderen Ende der Leitung war, blieb sie regungslos liegen und hörte sich die Nachricht auf dem zum Mithören gestellten Anrufbeantworter an.
„Hey Süße. Hier ist Jennifer. Ich wollte nur hören, wie es dir geht. Und ich muss dir unbedingt erzählen, was gestern Nacht in der Redaktion passiert ist, das wirst du nicht glauben!“
Oh doch, würde sie. Und der Gedanke daran, wer dafür verantwortlich war, und warum, sorgte für einen weiteren Schwall heißer Tränen, die im bereits klammen Sofakissen versickerten.
„Hör mal. Falls es dir soweit wieder gut gehen sollte … Freitagabend ist Museumsnacht, und ich dachte mir, wir könnten uns endlich mal die National Gallery und die Tate vornehmen und hinterher vielleicht noch etwas trinken gehen. Du kannst auch gerne Viv fragen, ob sie mitkommen möchte. Ruf mich an, wenn du Zeit hast. Ciao.“
Die süße Jenn. Aber irgendetwas sagte Elizabeth, dass sie Freitag nicht in der Stimmung für eine Gemälde-Rallye sein würde, höchstens für eine Bar-Rallye, in deren Verlauf sie ihren Kummer in einem Dutzend Daiquiris ertränken konnte.
Nachdem Jennifers Stimme auf dem AB verstummt war, versuchte sich Elizabeth erneut darin, einen Sinn in dem ganzen Schlammassel zu erkennen. Wollte Daniel sie verlassen, weil er sie zu sehr liebte, als dass er ihr eine zweifelhafte Zukunft zumuten wollte? Oder weil er sie nicht genug liebte, um besagte Zukunft an ihrer Seite zu verbringen? Egal, am Ende lief es auf das Gleiche hinaus: Daniel wollte sie verlassen.
Was würde ich tun, wenn er wirklich fortginge , fragte sie sich. Wahrscheinlich damit weitermachen, womit sie in den letzten Tagen begonnen hatte. Mit Wood nach Daniels Mördern suchen, und mit Sir Thomas seinen guten Ruf wiederherstellen. Denn eines war klar, selbst wenn Daniel ihr den Rücken zukehren sollte, so würde das rein gar nichts an ihren Gefühlen für ihn ändern, und sie wäre nach wie vor entschlossen, für ihn zu kämpfen.
Wie hatte es dieser Mann nur geschafft, in so kurzer Zeit zum wichtigsten Teil ihres Lebens zu werden?
Nun, er beflügelte sie, Dinge zu tun, für die sie alleine nie den Mut aufbringen würde. Und auch wenn Daniel gesagt hatte, er könne ihr nie Geborgenheit und Halt bieten, so fühlte sich in seiner Gegenwart doch so sicher und geborgen, wie niemals zuvor.
Was aber am allerwichtigsten war: Wenn sie mit ihm zusammen war, fühlte sie sich ganz, fühlte sich vollständig . So, als würde er sie perfekt ergänzen. Als wäre er ein fehlendes Mosaiksteinchen, ohne das sie nie ein komplettes Bild ergeben würde. Was spielte es da für eine Rolle, dass er kein gewöhnliche Mann war, mit dem sie ein normales Leben führen konnte? Bei allen Einschränkungen, die sein Zustand mit sich brachte, war er doch genau der Richtige für sie.
So hatte sie noch nie zuvor in ihrem Leben empfunden. Und wenn sie ehrlich war, dann war das, was sie Daniel entgegenbrachte, genau die Art von bedingungsloser Liebe, an die sie nie geglaubt, die sie stets als modernes
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