und der tanzende Derwisch
Gesellschaft gebrochen hatte, und dieser ehrgeizige, scheinbar kalte und pedantische Mann. Und«, fügte Max hinzu, »Lyautey soll gesagt haben, daß er in seinem ganzen Leben nur einmal wahre Freundschaft erlebt hat, und zwar - so kurz sie auch war - mit dieser Frau.«
Mrs. Pollifax war das Wort kurz nicht entgangen. »Wieso kurz?«
»Sie ertrank Monate später bei sintflutartigen Regenfällen in einem Haus in jenem abgelegenen Vorposten Arn Sefra -, sie war erst siebenundzwanzig!«
Mrs. Pollifax schwieg, und Max wartete auf eine Reaktion. »Sie muß sehr verzweifelt einem Traum nachgejagt sein«, sagte sie schließlich leise. »Die Geschichte hört sich nach einer leidenschaftlichen und gequälten Frau an, der aber doch das Schicksal ein bißchen zugelächelt hat, finden Sie nicht? Als wäre sie in diesen winzigen Wüstenort gezogen worden, um zu sterben - doch zuerst, um diesem Mann zu begegnen, ihn kennenzulernen und sein Leben zu beeinflussen, und vielleicht wer weiß? -, um zum erstenmal in ihrem Leben verstanden zu werden. Welch eine seltsame Geschichte, Max.«
»Ich sammle seltsame Geschichten«, gestand er. »Ich kann nur hoffen, daß ich nicht vor Ende dieser Woche selbst zum Akteur in einer werde!«
Es war nicht mehr ganz so dunkel, so konnte sie sein flüchtiges Lächeln sehen, aber es war kein glückliches Lächeln. Vor den Olivenbäumen, auf der Straße, knatterte ein Lastwagen vorbei. In einer Stunde würde es hell sein, dann würden sie wieder versuchen, Zagora zu erreichen und nach dem Informanten Nummer sechs schauen, dessen Name Sidi Tahar Bouseghine war und der Teppiche verkaufte. Sie schauderte, und Max fragte: »Ist Ihnen kalt?«
Deprimiert sagte sie leise: »Ich glaube, ich sollte wohl auch ein paar Liegestützen machen.«
13
Mornajay flog gleich am Nachmittag nach Marrakesch. Er war zwar noch ein wenig verärgert, daß er seinen Urlaub in Spanien hatte abbrechen müssen, aber er fragte sich mit wachsendem Interesse, was er in Marokko herausfinden würde. Er spürte eine Herausforderung, die ihn an jugendlichere Jahre erinnerte, als er sich in der noch in der Entstehung begriffenen CIA hocharbeitete und des öfteren in fremde, wenig einladende Städte kam und nicht mehr wußte als den Namen eines Kontaktmannes, der vielleicht, vielleicht aber auch nicht, helfen würde, wenn er überhaupt zu finden war. Nun hatte er die Liste mit den sieben Orten bei sich, die ihm Carstairs übers Telefon genannt hatte, sowie die Namen der sieben Informanten; und indem er seine Beziehungen spielen ließ, war er auf den Namen eines jungen Mannes in Marrakesch gestoßen, den er würde ausfrage n können, ohne den wahren Grund seines Hierseins verraten zu müssen. Deshalb hatte er Marrakesch als Ausgangsbasis gewählt, aber auch wegen der Nähe zum Land hinter dem Hohen Atlas.
Er trug einen untadelig geschneiderten weißen Anzug, der seine dichte graue Löwenmähne vorteilhaft betonte, auf die er stolz war, wie er selbst zugab. Die sechs Tage in Spanien hatten sein Gesicht gebräunt, was seinen kühlen grauen Augen einen Hauch von Wärme verlieh. Ein ganzes Jahr war vergangen, seit ihn eine unerwartete Botschaft aus Thailand von seinem Schreibtisch gerissen und eine persönliche Tragödie ihm ein wenig von seiner Schroffheit genommen hatte. * Aber er war immer noch ein Mann aus Eis, nur ein kleines bißchen weniger unbeliebt und nur eine Spur weniger egoistisch. Er war
* Mrs. Pollifax und das Goldene Dreieck von Dorothy Gilman,
Knaur Band 1794
Carstairs' Vorgesetzter bei der CIA in jeder offiziellen Angelegenheit, doch es war ein Zeichen seiner inneren Veränderung, daß er, soweit es die Atlas-Gruppe betraf, seine Befugnisse mit vier anderen teilte.
Am Flughafen nahm er ein Taxi zum Hotel Mamounia, in dem er telefonisch ein Zimmer bestellt hatte. Hier hob sich sogleich seine Stimmung. Er mochte Luxus, und das erst vor kurzem renovierte Hotel war wie eine Reise in Tausendundeine Nacht, mit einem Hauch Art deco gewürzt. Von seinem Zimmer aus rief er einen Kenneth Bartlett an, dem er mitteilte, daß er ihn in einer Stunde aufsuchen würde. Dann bat er die Rezeption, ihm einen Wagen für eine siebentägige, angebliche Ausflugsfahrt zu mieten. Er wechselte in sportlichere Sachen, packte in eine Tasche ein Fernglas, zwei Pullover, Stiefel, Windjacke und Wollmütze, Rasierzeug und etwas, das in jeder Beziehung wie eine Kamera aussah, in Wirklichkeit aber eine Schußwaffe war, und schlang sich einen echten
Weitere Kostenlose Bücher