und der tanzende Derwisch
während des Wartens
auf die Antwort aufgestaut hatte, und verriet seine wachsende
Besorgnis mehr als Worte es gekonnt hätten. »Danke, danke, er
sein soeben heimgekommen. Er sein neun Jahre, heißen
Ahmad.«
»Sagen Sie uns, wohin wir ihn bringen sollen. Adresse und
so.« Max holte Notizbuch und Kugelschreiber heraus, und
Muhammed erklärte umständlich auf Arabisch und Französisch,
dann verschwand er, um den Jungen zu holen.
»Hier ist er«, sagte er, als er rasch zurückkam. Der Junge trat
aus dem dämmrigen Korridor und blickte scheu auf Mrs.
Pollifax. Als sie ihn sah, lachte sie. »Wir kennen uns bereits!
Das ist Ihr Sohn Ahmad?« Es kostete einige Minuten zu erklären, daß Mrs. Pollifax die Touristendame war, die Ahmad zwei Dirham geschenkt hatte, mit denen er Orangen und
Süßigkeiten für seine Mutter gekauft hatte.
Muhammeds Augen leuchteten auf und er nickte. »Er Sie
schon mögen bon !« Voll Stolz fügte er hinzu. »Er können
Englisch viel besser als ich, Sie werden sehen. Ahmad, heute
abend du werden sein in Zagora bei dein amma .«
»Nur, wenn wir sofort aufbrechen«, warf Max ein. »Sagen Sie
ihm, er soll hinter uns gehen, bis wir bei unserem Laster sind.
Dort ziehen wir Dschellabahs an und sind keine Touristen
mehr.«
Muhammed umarmte seinen Sohn und murmelte ihm etwas
ins Ohr. Mrs. Pollifax verstand nur die Worte Allah und
Bismallah, dann öffnete ihnen Muhammed die Tür. »Nehna abid
Allah«, sagte er zu Max.
Max nickte ernst. »Ja, wir sind alle Diener Allahs. Leben Sie
wohl, Muhammed, und seien Sie vorsichtig.«
12
Sie verließen das Friseurgeschäft als Touristen, und während Ahmad in einigem Abstand hinter ihnen hertrottete, hielten sie an einem Souk an, um Plastiksandalen zu kaufen, und erstanden dann in einem anderen, was sie an Eßbarem mitnehmen konnten, was sich wiederum als Orangen und Ölsardinen erwies, sowie schwarze Oliven, zwei Flaschen Mineralwasser und fünf Flaschen Cola, wodurch ihre Mittel weiter schrumpften. Ein ganzer Trupp bettelnder Jungen folgte ihnen vom Marktplatz aus. Sie waren so hartnäckig, daß sie schließlich Ahmad bitten mußten, sie wegzuschicken; denn Touristen in einen so klapprigen Laster steigen zu sehen wäre zu einem aufregenden Gesprächsthema geworden, und sie hätten sich nur zu gut daran erinnert, wenn sie später befragt worden wären.
Ahmad drehte sich zu den Kindern um und zischte sie an. »Was sagt er?« fragte Mrs. Pollifax.
Max grinste. »Wir haben einen schlechten Einfluß auf den
Jungen, er verwünscht sie.«
»Wie?«
»Die bildhaftesten Verwünschungen waren ›Allah schicke
euch Fieber‹, und ›Allah schicke euch Fieber ohne Schweiß!‹«
Mrs. Pollifax unterdrückte ein Lächeln und sagte würdevoll: »Danke, Ahmad, vielen Dank.«
Als sie die Bettelkinder los waren, zeigten sie Ahmad, wo ihr Laster stand. Sein Anblick faszinierte ihn sichtlich; fast ehrfurchtsvoll kletterte er ins Führerhaus, berührte vorsichtig das Lenkrad und den Ganghebel und lächelte voll tiefer Zufriedenheit.
Als er auf Max und Mrs. Pollifax blickte, während sie sich umzogen, bemerkte er, daß Mrs. Pollifax sich sehr unbeholfen mit dem Schleier anstellte. »Nein, nein!« rief er lachend über ihre Verwandlung von nasrani zur Einheimischen, dann befestigte er grinsend den Schleier für sie. Das führte zu ein bißchen Urlaubsstimmung, die bedauerlicherweise kurz war, weil der Reiseführer auf weitere Berge hinwies, ehe sie die Ebene erreichten, und schon jetzt war es zweifelhaft, daß sie Zagora noch vor Einbruch der Nacht erreichen würden. Auf ihrer Karte war nichts von Bergen zu erkennen, aber leider erwies sich der Reiseführer als richtig. Sie mußten wieder südwärts Richtung Wüste und Grenze fahren, und der erste Teil ihrer Reise war steil und brachte sie hoch über den Dra. Aus schwindelerregender Höhe blickte Mrs. Pollifax angespannt hinunter auf das grüne Tal, durch das sich der Fluß ebenso wild schlängelte wie die Tausende von Fuß über ihm aus den Felsen gehauene Straße, auf der sie fuhren. Das Dratal war fruchtbar und Ziegen und Schafe weideten an den steilen grünen Hängen, aber sie konnte dieses ländliche Idyll nicht würdigen, weil sie nur daran dachte, wie leicht sie da hinunterstürzen könnten.
Doch der Volvo ächzte und stöhnte zwar, aber er fuhr. Er hatte eine eigene Persönlichkeit entwickelt, fand sie, und wie die Menschen dieser Berge hatte er sich an Unterernährung und Armut gewöhnt und war hartnäckig und stoisch
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