und der verschwiegene Verdacht
die Augen und wagte erneut einen Blick auf die kleine Lichtung.
Noch immer der gleiche Anblick: zwei zarte alte Frauen, die sich ähnlicher sahen als zwei Erbsen in einer Schote. Sie waren völlig gleich angezogen, von den Fingern ihrer weißen Zwirnhandschuhe bis zu den Spitzen ihrer bequemen Schuhe. Sie hatten die gleichen Handtaschen – Emma musste unwillkürlich an einen Pompadour denken – und trugen identische Strohhüte mit lavendelfarbenen Bändern. Sie saßen nebeneinander auf einer Steinbank unter den Kastanien, betrachteten Emma mit wachen Vogeläuglein und lächelten das gleiche Lächeln.
»Guten Tag«, sagte die eine.
»Was für ein schöner Tag«, sagte die andere.
War es möglich, doppelt zu hören? Die Stimmen der Frauen waren genauso wenig voneinander zu unterscheiden wie ihre Gesichter. »J-ja, das ist es«, brachte Emma heraus.
»Ich heiße Ruth Pym, und das hier ist meine Schwester …«
»… Louise.« Louise klopfte auffordernd auf die Bank neben sich. »Wollen Sie sich nicht setzen?
Hier ist genug Platz …«
»… für drei.« Emma setzte sich zwischen die beiden, und Ruth fuhr fort: »Wir wohnen in einem kleinen Dorf namens Finch und haben heute einen Ausflug hierher gemacht …«
»… mit dem Pfarrer. Es war ein bisschen weit für uns …«
»… um allein zu fahren. Unser Auto, müssen Sie wissen, ist nämlich …«
»… etwas alt.«
Emma wartete, bis sie sicher war, dass sie jetzt an der Reihe war zu sprechen, dann stellte sie sich vor.
»Sie sind Amerikanerin?«, fragte Ruth. »Und Sie sind von so weit her gekommen, um Bransley zu sehen? Wie wunderbar. Haben Sie zufällig …«
»… mit Gartenbau zu tun?«, beendete Louise den Satz.
»Nur als Liebhaberei«, erwiderte Emma. »Ich habe zu Hause einen Garten, der mir viel bedeutet, aber mein Geld verdiene ich mit Computerarbeit.«
»Wie hochinteressant!«, rief Ruth aus. »Sie müssen eine sehr intelligente …«
»… und tüchtige junge Frau sein.«
»Danke«, sagte Emma, die sich irgendwie bei dem Gedanken getröstet fühlte, dass sie in den Augen dieser beiden alten Jungfern noch eine junge Frau war. »Es ist eine interessante Arbeit, aber ich brauche einen Ausgleich. Darum habe ich mit dem Gärtnern angefangen.«
»Das glaube ich gern«, sagte Ruth. »Wir haben gehört, dass Computer so schrecklich …«
»… sauber sind.«
»Was man von der Gartenarbeit nicht behaupten kann!«
Die Schwestern kicherten über Emmas scherzhaf-te Bemerkung, und Emma fiel in ihr Lachen ein.
Während die beiden in ein eifriges Fachsimpeln verfielen, löste sich allmählich ihre Spannung. Sie fragten Emma, wo sie bereits gewesen sei und was für Pläne sie für weitere Gartenbesichtigungen ha-be, baten sie eifrig um Ratschläge hinsichtlich Schädlingsbekämpfungsmittel und Mulchtechniken, waren jedoch zurückhaltend bezüglich ihrer eigenen Erfahrungen. Die beiden Pyms waren so entzü-
ckend, ihr Interesse war so ehrlich und ihre Begeisterung so ansteckend, dass über eine Stunde vergangen war, als Emma endlich auf ihre Uhr sah.
»Es war wirklich nett, Sie kennen zu lernen«, sagte sie, indem sie widerwillig aufstand, »aber ich habe noch einen weiten Weg vor mir und muss aufbrechen.«
Ruth lächelte verständnisvoll. »Natürlich müssen Sie das, meine Liebe.«
»Und auch wir möchten Ihnen versichern, dass uns dieses Gespräch mit Ihnen ein großes Vergnü-
gen war«, sagte Louise. »Ruth und ich kommen so gern …«
»… nach Bransley Manor. Man trifft hier immer so …«
»… interessante Menschen.«
»Ich mag Bransley auch«, sagte Emma, »und trotzdem ist selbst hier …«
»Aha, Sie haben es bemerkt.« Die Schwestern sahen sie erwartungsvoll an.
»Die Schachbrettblumen?«, fragte Emma. Sie setzte sich wieder. Sie konnte es gar nicht erwarten, hierzu ihre Meinung zu sagen. »Es wäre schwer, sie nicht zu bemerken. Fritillaria meleagris wäre vielleicht noch gegangen, aber imperialis? Dieser Orangeton …« Emma hielt erschrocken inne, legte die Hand auf den Mund und errötete. »Es tut mir Leid. Das muss ziemlich überheblich klingen von jemandem wie mir. Sicher hatte der Gärtner einen guten Grund für diese Veränderung.«
»Wenn er den hatte, dann hat er es nicht geschafft, ihn uns zu erklären«, sagte Louise mit Überzeugung. »Die Fritillaria imperialis war …«
»… eine völlig falsche Entscheidung. Wir haben mit dem leitenden Gärtner gesprochen …«
»… mit dem netten Monsieur Melier, und er
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