und der verschwiegene Verdacht
erkläre Peter geduldig, »es macht ihn sehr traurig.« Er überlegte, ob er Nell von dem Kirchenfenster erzählen sollte, entschied sich aber dagegen.
Königin Eleanor würde womöglich eine königliche Verkündigung daraus machen. »Komm jetzt, Nell.
Hilft mir, die Sachen wieder wegzupacken, und dann suchen wir dir und Bertie etwas anderes zum Spielen.«
»Etwas Schönes?«
Er nickte. »Etwas Schönes.« Peter wickelte Bertie aus dem Schal, dann half er Nell aus den hohen Schuhen und zog ihr das Kleid über den Kopf. Er war erleichtert, als ihr grüner Pulli und die blaue Latzhose darunter zum Vorschein kamen, bei Nell wusste man nie, was einen erwartete.
Er folgte ihr in die Abstellkammer, wo sie einen der Kartons geöffnet hatte, in dem Mamas Sachen verstaut waren. Nachdem er Kleid und Schal wieder zusammengefaltet hatte, legte er die Sachen ehrfürchtig zurück, dann wischte er die Sohlen der Damenschuhe an seinem Hosenbein ab und legte sie verkehrt herum auf den Schal. Schließlich schloss er den Karton und sah sich in der Kammer um.
»Nell«, sagte er, während seine Idee Gestalt annahm, »kannst du dich an die Geschichte von den alten Römern erinnern, die Dad dir vorgelesen hat?«
»Die von den Löwen?«, fragte Nell und ihr Gesicht hellte sich auf. »Und von den Streitwagen und den Schwertern und …«
»Und von den edlen Römern in ihren schönen weißen Gewändern?«
»Ja, daran erinnern wir uns, Bertie und ich.« Nell nickte eifrig.
»Also«, sagte Peter und nahm ein sauberes Laken von dem Stapel auf dem Wäschetrockner, »dieses Gewand nannte man eine Toga. Und nur die reichsten und schönsten Römer durften sie tragen.« Peter vermutete, dass das nicht ganz der Wahrheit ent-sprach, aber im Moment war es egal. Er drapierte das Laken über Nells linke Schulter, dann schlang er es ihr um den Rücken und schlug den Zipfel über die rechte Schulter.
»Und sie haben es immer getragen, wenn sie den Löwen zusehen wollten«, sagte Nell verträumt, indem sie nach einem Kopfkissenbezug griff, den sie Bertie anziehen wollte, »und den Streitwagen und den Schwertern und …«
Als Nells Augen ihren vertrauten verträumten Blick annahmen, verließ Peter leise die Abstellkammer. Jetzt würde sie bis zum Abendessen beschäftigt sein. Er könnte das Laken wieder zusammenlegen, wenn Nell und Bertie zu Bett gegangen waren.
Auf seinem Weg in die Küche blieb Peter stehen.
Langsam drehte er sich um und ging zur Tür der Werkstatt seines Vaters. Ab und zu musste er dort hineinschauen, um sich daran zu erinnern, warum Dad ihm so viel Arbeit überließ. Vorsichtig und leise drückte er die Klinke herunter und öffnete die Tür, gerade weit genug, um hineinzuspähen.
Dort waren die Fotos, die der Herzog geschickt hatte, sowie die Regale mit dem Buntglas, das Dad für das Fenster verwenden wollte. Sein Vater hatte ihm die Bilder vom Fenster gezeigt und ihm erklärt, wie er es reinigen und so restaurieren würde, dass es wieder wie neu aussah. Sein Vater hatte ihm nicht alles erklärt, aber das war auch nicht nötig, denn Peter verstand es auch so.
Peter hatte gehört, wie der Pfarrer es einigen Besuchern erklärt hatte, nicht lange nachdem Mama gestorben war. Dass die Seele wie ein Fenster war, durch das Gottes Licht schien. Tante Beatrice hatte es nicht richtig verstanden, sie sagte, dass Mamas Seele für alle Ewigkeit im Himmel bleiben würde.
Aber Peter wusste, dass sie dort nur wartete, bis Dad diesen Ort auf der Erde für sie geschaffen hatte, diesen vollkommenen Ort aus den Farben des Regenbogens, durch den Gottes Licht für immer scheinen würde.
2
EMMAS ERSTES ZIEL auf ihrer sorgfältig ge-planten Reiseroute war Bransley Manor. Von diesem Landsitz hatte sie zum ersten Mal auf einem Gartenseminar gehört, und hier war sie mit Richard schon einmal gewesen. Sie war von der Allee aus chilenischen Araukarien, den Bäumen, »die Affen Rätsel aufgeben«, ebenso entzückt gewesen wie Richard von dem Irrgarten mit seinen hohen Hecken auf der anderen Seite des Teichs. Bransley Manor war zwar nicht berühmt dafür, dass es hier besonders viele Azaleen gegeben hätte, aber Emma hatte es dennoch auf ihrer Route mit einbezogen.
Der Landsitz war eine unauffällige Kostbarkeit, weitab von der üblichen Route der Touristenbusse, und nach ihrer ersten Woche in London mit ihren Theaterbesuchen freute sich Emma darauf, diesen Garten jetzt für sich allein zu haben.
Sie parkte ihren Mietwagen neben einem älteren
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