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und der verschwiegene Verdacht

und der verschwiegene Verdacht

Titel: und der verschwiegene Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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nicht, dass es aufhörte.

    Lady Nell,
    Master Peter und Sir Bertram of Harris würden sich sehr freuen, wenn sie Miss Emma heute zum Abendessen im Kinderzimmer begrüßen dürften.
    Um sieben Uhr.
    Dad kommt auch.

    Die beiden letzten Zeilen waren als Nachsatz hinzugefügt und unter den kunstvoll verschnörkelt geschriebenen Text der Einladung gequetscht worden. Emma stand auf dem Balkon und las die Einladung noch einmal. Der Brief war in ihrem Zimmer unter der Tür hindurchgeschoben worden und hatte dort gelegen, als sie nach Penford Hall zu-rückgekommen war. Also warteten die Kinder noch auf ihre Antwort.
    Derek hatte ihr so viel zu denken gegeben. Sie wäre gern noch ein bisschen in den Garten gegangen – sie konnte mit einer Schaufel in der Hand immer besser denken –, aber die Wolken ballten sich zusammen, und es roch nach Ozon. Plötzlich fielen die ersten Tropfen, gefolgt von einem kurzen, aber heftigen Wolkenbruch, aus dem bald ein gleichmäßiger Landregen wurde.
    Wie gut, dass Bantry die Gartengeräte in die Kapelle gebracht hat, dachte Emma, als sie sich anschickte, ins Zimmer zurückzugehen. Sonst wären sie womöglich …
    Wie erstarrt blieb sie in der Tür stehen, dann drehte sie sich langsam um und sah in den Regen hinaus. In der Nacht davor hatte es auch geregnet, in der Nacht, ehe sie und Nell Susannah gefunden hatten. An dem Morgen war es neblig gewesen.
    Bantry hatte eine Plane aus Segeltuch über den Schubkarren gebunden, um seine Geräte vor dem Wetter zu schützen, wie es jeder Gärtner tat. Aber an jenem Morgen war das Segeltuch nicht auf dem Schubkarren gewesen. Als Emma danach langte, hatte es auf dem Plattenweg gelegen. Trotzdem waren alle Geräte völlig trocken gewesen, als Bantry sie später aus dem Schubkarren genommen hatte.
    Emma rückte an ihrer Brille, dann verschränkte sie die Arme und überlegte. Jemand musste die Plane vom Schubkarren genommen haben, und zwar nachdem der Regen aufgehört und der Nebel sich verzogen hatte. Jemand war also am Morgen von Susannahs Unfall im Garten gewesen.
    Aber wer? Emma konnte sich nicht vorstellen, dass Susannah sich an der Plane die Hände schmutzig gemacht hatte, und wenn Bantry sie selbst abgenommen hätte, dann hätte er sie nicht auf dem Weg liegen gelassen.
    Vielleicht Peter? Er war am Morgen auf dem Küstenpfad gewesen, ganz in der Nähe des Kapellgartens. Vielleicht war er kurz hineingegangen, um sich die Geräte anzusehen? War es nicht ganz normal für einen kleinen Jungen, sich für Werkzeug aller Art zu interessieren?
    Ob sie ihn heute Abend fragen sollte? Emma sah sich abermals die säuberlich geschriebene Einladung an und schüttelte den Kopf. Sie wollte den Kindern ihre große Einladung nicht verderben. Sie würde Bantry am nächsten Morgen nach der Plane fragen.
    Ein Windstoß blies einen Regenschwall in ihre Richtung und vertrieb sie vom Balkon. Sie trocknete sich das Gesicht ab und trat an den Schreibtisch, um ihre Antwort zu verfassen, in der sie dankend annahm. Dann klingelte sie nach Mattie, die sie den Kindern bringen sollte.
    Der Einladung nach zu urteilen war das Abendessen im Kinderzimmer eine formelle Angelegenheit, also ging Emma an ihren Kleiderschrank. Sie wünschte sich gerade, dass sie außer ihrem altgedien-ten blauen Jerseykleid noch etwas anderes Anspre-chendes mitgebracht hätte – als sie zu ihrer Überraschung tatsächlich etwas anderes an seinem Platz entdeckte. Vorsichtig glitt Emmas Hand zu dem Stoff – dann musste sie an ihrer Brille rücken, denn sie traute kaum ihren Augen.
    Silbergrauer Satin glänzte im Schein der Lampe wie flüssiges Mondlicht. Zögernd streckte sie abermals die Hand aus und berührte es. Der glänzende Stoff raschelte unter ihren Fingern, und sie stieß einen langen, glücklichen Seufzer aus. Das Kleid war einfach geschnitten, mit dreiviertellangen Ärmeln, einem eng anliegenden Oberteil mit leich-tem Ausschnitt und einem weiten Rock, der Emma bis kurz unter die Knie reichen würde.
    »Entschuldigung, Miss.«
    Fast schuldbewusst zog Emma die Hand zurück und drehte sich zu Mattie um, die an der Tür des Ankleidezimmers stand.

    »Ich würde es nicht anfassen, Miss. Nicht, ehe Sie gebadet haben.« Als Emma nicht antwortete, sagte das Mädchen unsicher: »Ich habe angeklopft, Miss, aber Sie haben es wohl nicht gehört.«
    »Ist schon gut«, sagte Emma, die endlich aus ihrer Benommenheit auftauchte. »Aber dieses Kleid, Mattie. Hat Nanny Cole …?«
    »Lady Nell und ich dachten,

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