und der verschwiegene Verdacht
dass Sie noch ein paar Kleider brauchen könnten, da Sie so wenig mitgebracht haben, und Nanny Cole fand es auch.
Ich hoffe, Sie sind nicht böse.«
»Böse?« Emma sah auf das Kleid und lächelte.
»Nein, ich bin keineswegs böse.«
Das Reich der Kinder erstreckte sich über einige große Zimmer im Dachgeschoss von Penford Hall.
Peter wartete bereits auf Emma, er stand an der Tür des mittleren Zimmers, das er als Tagesraum be-zeichnete. Er begleitete sie zu einem Sessel und brachte ihr ein Glas Limonade, dann stand er nervös da, rückte seine Krawatte gerade und zerrte an seinem Blazer.
»Du siehst heute Abend sehr elegant aus«, sagte Emma. Sie beugte sich vor, um sich seine Krawatte näher anzusehen. »Oh, kommst du dieses Jahr nach Harrow?«
»Nein«, erwiderte Peter. »Das ist Graysons alte Schulkrawatte und auch sein Blazer, er hat mir die Sachen für heute Abend geliehen. Nanny Cole musste aber die Ärmel kürzer machen.« Er zupfte an seiner Manschette. »Papa wollte schon, dass ich nach Harrow gehe, denn er war auch dort. Ich würde auch hingehen, aber …« Peter biss sich auf die Lippe.
»Aber was?«, fragte Emma behutsam.
Peter schlug die Augen nieder, dann sagte er leise und vertraulich: »Es ist ein Internat.«
»Ach so«, sagte Emma, obwohl sie die Erklärung nicht ganz verstand.
»Grayson bringt mir Kricket bei«, fuhr der Junge im Plauderton fort. Er runzelte die Stirn und schürzte nachdenklich die Lippen. »Ich glaube, ich fange langsam an, es zu verstehen.«
Emma nippte an ihrer Limonade, sie wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Sie war es nicht gewöhnt, sich mit Kindern über Schulsport zu unterhalten. Auch fragte sie sich, ob alle kleinen Jungen wohl mit dieser Ernsthaftigkeit Kricket spielten, aber ehe sie eine taktvolle Frage stellen konnte, entschuldigte sich Peter. Er wolle sehen, wo Nell blieb.
Der »Tagesraum« war mit weichen Teppichen, tiefen Sesseln und einem harten Rosshaarsofa aus-gestattet. An einer Wand war mit Reißzwecken eine Weltkarte befestigt, an den anderen Wänden hingen gerahmte Bleistiftzeichnungen von Penford Hall, von der Burgruine und vom Hafen. Emma vermutete, dass es sich hierbei um Frühwerke des jungen Grayson handelte.
Ein großes schwarz-weißes Schaukelpferd stand in der Nähe der Fenster, und in der Ecke lehnte ein Schmetterlingsnetz. Niedrige Regale zogen sich ringsum an den Wänden entlang. Die Regalfächer waren gefüllt mit Büchern und geheimnisvollen, un-beschrifteten Kästen, in denen Puzzles, Spiele oder ganze Heerscharen von Zinnsoldaten schlummern mochten. Der große Tisch in der Mitte des Raumes war für das Abendessen gedeckt, und Crowley, der mit einer Reihe von Wärmebehältern hantierte, wartete darauf zu servieren.
Beim Betrachten des Spielzeugs bemerkte Emma, dass es in alphabetischer Reihenfolge angeordnet war, außerdem stellte sie nach einigen Minuten fest, dass das fünfte Gedeck auf dem Tisch für Bertie war. Ihr Blick wanderte vom Abakus zum Zebra, dann zu dem Stapel Lexika, die auf dem Stuhl aufgetürmt waren, um dem kleinen braunen Bären zu der nötigen Höhe zu verhelfen. Verwundert fragte sie sich, ob alle Kinder so waren.
Etwas verlegen strich sie sich über das Haar.
Mattie hatte es gebürstet, bis es knisterte, und es dann lose auf ihre Schultern fallen lassen. Nanny Cole hatte ihr den Saphiranhänger heraufgeschickt, den Emma jetzt um den Hals trug, außerdem ein Paar Satinschuhe, passend zum Kleid. Nanny Cole, so hatte Mattie ihr erzählt, lege stets größten Wert auf passende Accessoires. Sie berührte den Anhänger.
Emmas Hand sank herab, als Derek ins Zimmer kam. Er trug dieselben verwaschenen Jeans und dasselbe zerknitterte Arbeitshemd, das er bei ihrem Spaziergang nach Penford Harbour angehabt hatte.
Er hatte sich nicht einmal gekämmt. Als er Emma erblickte, blieb er stehen, dann drehte er sich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer.
Verwirrt sah Emma Crowley an, der nur stumm die Schultern zuckte. Emma hatte kaum von ihrer Limonade genippt, als die Tür wieder aufflog und Nanny Cole ins Zimmer stürmte, ihr Twinset und der Tweedrock mit Fäden und Fusseln übersät.
»Stehen Sie auf«, kommandierte sie, »und lassen Sie sich mal ansehen.« Errötend drehte Emma sich um die eigene Achse, während Nanny Cole vor sich hin murmelte: »Lady Nell hatte Recht. Die Farbe steht Ihnen.« Ein zerstochener Finger deutete auf Emmas Sessel. »Hinsetzen!«, bellte sie. Dann hob sie den Kopf
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