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und der verschwiegene Verdacht

und der verschwiegene Verdacht

Titel: und der verschwiegene Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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war von tiefem Schlamm bedeckt. Em-ma sehnte sich nach der Ruhe in der Kapelle. Sie wollte die Tür zuwerfen, den Sturm draußen lassen und endlich Atem schöpfen, aber obwohl Derek sich mit aller Kraft gegen die Tür stemmte, ließ sie sich nicht öffnen. Zähneklappernd eilte Emma ihm zu Hilfe und stemmte sich ebenfalls mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür, und endlich gab sie etwas nach. Langsam, Zentimeter um Zentimeter, öffnete sie sich, bis der Spalt breit genug war, dass sie beide hindurchschlüpfen konnten.
    Emma trocknete hastig ihre Brille, dann sah sie verwirrt um sich. Peters orangefarbene Notleuchte lag auf dem Granitsims, ihr Lichtschein war auf die Hintertür gerichtet. Die Tür war weit geöffnet, und von der Wucht des Windes waren die Bänke durch-einander geraten und gegen die Eingangstür geschoben worden. In die offene Hintertür war der Schubkarren gezwängt, und ein straff gezogenes Seil, das an den hölzernen Griffen befestigt war, führte nach draußen in die Dunkelheit.
    »Was zum …« Derek drehte sich zu Emma um, die abermals an der Eingangstür zerrte, gegen die der Wind drückte. »Rühr den Schubkarren nicht an, ehe wir draußen nachgesehen haben!«, rief sie.
    »Wir wissen schließlich nicht, wozu das Seil dient!«
    Derek nahm einen Spaten und hebelte die Tür auf, dann sprangen sie die Treppe hinauf und stürzten aus dem Kapellgarten. Sie rannten an der Mauer entlang, aber als sie sie umrundeten und auf die steinige Wiese hinaustraten, traf der Sturm Emma mit solcher Wucht, dass sie in die Knie ging.
    »Lauf!«, schrie sie, als Derek anhielt, um sie hochzuziehen. Er rannte los, während sie wie blind auf Händen und Knien weiterkroch und die Mauer suchte, wobei sie ständig daran denken musste, dass der Abgrund nur wenige Meter entfernt war.
    Endlich trafen die Knöchel ihrer rechten Hand auf rauen Stein, und sie stand mühsam auf. Sie tastete sich an der Mauer entlang, bis sie an der Ecke ankam, und als sie sie umrundet hatte, sah sie das schwache Licht, das aus der Hintertür der Kapelle fiel. Das Seil lief über den Rand der Klippe und verschwand nach unten in der Dunkelheit.
    Derek hatte es fast erreicht und wollte das Seil er-greifen, doch in dem Moment wurde das Licht aus Peters Taschenlampe schwächer und drohte auszu-gehen.
    »Nein!« Dereks Schmerzensschrei übertönte das Tosen des Sturms, und Emma erstarrte vor Furcht.
    Und dann sah sie durch ihre regennassen Brillenglä-
    ser, wie die Luft um sie her zu leuchten begann.
    Es war ringsum und überall, obwohl es von nirgendwo zu kommen schien; von Sekunde zu Sekunde wurde es heller, bis die Regentropfen wie Diamanten glänzten und wie Millionen fallender Sternchen herabströmten. Emma sah ihre blutenden Knöchel, sie sah die verkümmerten Grashalme, sie sah jeden Stein, jedes Blatt und jede Pfütze so klar wie am helllichten Tag.
    Derek sah jetzt das Seil. Er griff danach, und Emma beeilte sich, ihm zu helfen, während er die Füße gegen den steinigen Boden stemmte und es entschlossen einholte, Hand über Hand, jeden Muskel unter seinem triefendnassen Hemd angespannt. Das Seil schnitt in Emmas Handflächen, während es in Schlaufen hinter ihr auf die Erde fiel; aber sie konzentrierte sich nur auf den Punkt, wo es über dem Klippenrand verschwand.
    Plötzlich kam am Klippenrand eine Hand zum Vorschein, die mit vor Anstrengung weißen Knö-
    cheln das Seil umklammert hielt. Dann erschien Peters Gesicht, und als seine Schultern auftauchten, sah Emma, dass das Seil fest um ihn und Mattie geschlungen war, die schlaff und totenbleich neben ihm hing.
    Vorsichtig zog Derek beide auf den festen Boden, dann nahm er das Taschenmesser und schnitt das Seil durch. Vor Anstrengung und Erleichterung zitternd, umarmte er seinen Sohn. Dann stieß er den Schubkarren zur Seite und gab den Jungen in Emmas Obhut, die ihn schnell in die Sicherheit der Kapelle brachte. Dort stellte sie ihn auf Armeslänge vor sich hin und sah ihn an, sie konnte kaum fassen, dass er lebte und unverletzt war.
    Peter wankte etwas, dann zwinkerte er verwirrt und schien zu erstarren. Sein Mund öffnete sich, und er versuchte, den Arm zu heben und auf etwas zu zeigen, aber dann verdrehte er die Augen und fiel ohnmächtig in Emmas Arme. Emma sah sich nach Derek um, der gerade mit Mattie hereinge-stolpert kam, und im letzten Glimmen des verlö-
    schenden Lichts glaubte sie zu sehen, dass die Frauenfigur im Fenster weiß gekleidet war.

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    KAUM HATTE DEREK die

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