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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Aber anscheinend erreicht sie etwas damit.»
    «Hältst du das für richtig? Ich meine - wird es den Kindern nicht schaden?»
    «Schaden — wieso?»
    «Na, ich meine — daß sie einen bleibenden Schaden davontragen?»
    «Was denn für ’n bleibenden Schaden?»
    «Ich weiß auch nicht recht», sagte Nell kleinlaut.
    «Mach dir man keine Sorgen, Nell. Der Rohrstock gehört zur Erziehung - das wird immer so sein, glaube ich. Bei mir war’s jedenfalls so, regelmäßig. Und es hat mir nichts geschadet.»
    Nell war erleichtert und im stillen etwas beschämt. Offensichtlich hatte sie sich aufgeführt wie eine Glucke, die ihre Küken nicht loslassen will. Benbow mußte lernen, auch Härten zu ertragen.
    Die beiden Küken spielten draußen. Sie schritten gerade wie zwei Alte durch die Reihen der ersten zarten Salat- und Kohlpflanzen. «Morgen ist Schule, gräßlich», stellte Benbow fest.
    «Nicht gut», stimmte Ulrike zu. Danach hatten sie nicht mehr viel zu sagen, aber sie schienen sich hier wohlzufühlen in der Gesellschaft des anderen. Jetzt kamen Tante Mabel und Nell mit dem Picknickkorb aus dem Haus. «Rieke!» rief Mabel. «Lauf schnell zum Vater und sag ihm, wir machen Picknick.» Die Kinder rannten los und holten Siegfried, der auf einem Feldstück ein paar hundert Meter entfernt arbeitete. Sie zogen ihn, jeder an einer Hand, hinter sich her. Als Siegfried Nell sah, lachte er sie an: «Miessies Evans!» Dann ging er ins Haus, um sich die Hände zu waschen, und kam wieder nach draußen zu ihrem fröhlich-traurigen Picknick. Fröhlich, weil Frühling in der Luft lag und sie einander alle gern hatten, und traurig, weil die Ferien zu Ende gingen und am nächsten Tag die Schule begann...
     

18
     
    Friedlich zogen die Nachkriegs Jahre vorüber—langsam zuerst, und dann immer schneller, wie die guten Jahre es so an sich haben. Im Hause Omdurman änderte sich wenig. Oma und Opa wurden älter und immer launischer. Alice zog sich immer mehr in sich selbst zurück und kehrte ihre Stacheln hervor, sobald ihr jemand nahe kam. Nell schlug sich tapfer durch, ohne viel zu fragen; sie nahm die Dinge, wie sie waren—ändern konnte man ja doch nichts daran.
    In der Politik verlief allerdings nicht alles so, wie man es sich erhofft und erwartet hatte. Viele Menschen blickten besorgt in die Zukunft. Auch Nell, die bei Kriegsende ganz fest davon überzeugt gewesen war, ihrem Sohn werde ein Krieg erspart bleiben, machte sich Gedanken. Die Staatsmänner in Versailles hatten bei ihren Überlegungen einen Dreierbund außer acht gelassen, der tödlicher sein konnte als das explosivste Pulvergemisch: Dummheit, Bosheit und Angst.
    Wo wird das Böse geboren — im Schlund der Hölle oder im Herzen der Menschen? Der Mensch bedarf nicht der Teufel - er schafft sich sein eigenes Inferno.
    Die Tarantelwespe lockt die Tarantelspinne aus ihrem Schlupfloch hervor, lähmt sie durch einen giftigen Stich, rollt sie zurück in ihr Loch und legt ein Ei auf den gelähmten Spinnenleib. Schlüpft dann die junge Wespe aus, so frißt sie sich in die noch lebende Spinne hinein und nährt sich von ihr.
    Ein gewisser Hitler, den wir schon erwähnten, wandte eine ähnliche Methode an. Sein Nationalsozialismus fraß sich in das gelähmte Deutschland hinein und wuchs zu einem drohenden Ungeheuer heran. Die übrige Welt begann es zu fürchten. Und je mehr es drohte, um so mehr erbebte die Welt. Der letzte Krieg war so schrecklich gewesen, daß alle sich geschworen hatten, nie wieder in einen Krieg zu ziehen. Aber das Ungeheuer wurde immer größer und stärker, so daß sich schließlich diejenigen, die ihm am nächsten waren, fragen mußten, ob ein Krieg überhaupt noch zu vermeiden sei.
    Von all dem merkte man wenig in Ingerby. Tante Mins Klatschgeschichten waren interessanter als die Berichte über aufrührerische Versammlungen in einem Münchner Bierkeller. Und
    Tante Mabel hätte es nie für möglich gehalten, daß dieser Adolf Hitler, dessen Name jetzt öfter in der Zeitung erwähnt wurde, einmal das Schicksal von Sieg und Ulrike und auch das ihre beeinflussen könnte. Nell ließ sich vom Alltag treiben: sie versorgte die beiden Alten und half Benbow bei den Schularbeiten. Alice versuchte vergeblich, durch Arbeit über ihre Bitterkeit hinwegzukommen und ihre Selbstachtung wiederzufmden. Sie war unermüdlich und legte weitere Prüfungen ab. So stieg sie zur Stationsschwester und dann zur Oberschwester auf. Ihre Vorgesetzten sahen in ihr schon die künftige

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