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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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ihr Trost ihn nicht zu beeindrucken schien.
    «Wenn du dich anstrengst, kriegst du vielleicht eine Freistelle in der Oberschule, sagt Tante Edith.»
    Auch dieser Köder zog nicht; Benbow hatte noch zu wenig Ahnung von Freistellen und Oberschulen. Nell versuchte es von neuem. «Dann gehst du in die große Schule oben an der Derby Road, weißt du, wo diejungen rote Mützen mit Abzeichen tragen und ganz viel Sport treiben.»
    Es half alles nichts. Benbow hatte nur den einen Wunsch: so schnell wie möglich mit allem, was Schule hieß, fertig zu werden. Und das liegt für einen noch nicht Siebenjährigen in sehr weiter Ferne.
    Nell setzte sich, stützte die Ellbogen auf den Küchentisch und lachte ihren Sohn an. «Weißt du was, Benbow? Ich konnte früher immer gut rechnen. Wollen wir’s mal zusammen versuchen?»
    Rechnen? In den Ferien? Er war entsetzt. Aber Nell hatte schon ihren liniierten Schreibblock und den Bleistift aus der Schublade gezogen und sagte: «So — nun zeig mir mal, war ihr im Rechnen macht.» Und dabei strahlte sie ihn so glücklich an, daß er nicht nein sagen mochte. Zögernd fügte er sich; sie saßen in der gemütlichen Küche und übten Addieren und Subtrahieren, und danach lockte Nell ihn Schritt für Schritt weiter zum Buchstabieren und Lesen und Schreiben. Für sie war es einer der schönsten Nachmittage, an die sie sich erinnern konnte. Benbow hätte es nicht in Worte fassen können, aber in ihm stieg eine erste Ahnung davon auf, daß das, was man in der Schule lernte, vielleicht doch nicht ganz dumm und überflüssig war. Solche Feriennachmittage sollte er in den kommenden Jahren noch oft erleben.
    Am letzten Ferientag kam er morgens mit Leichenbittermiene die Treppe herunter.
    «Komm her, Benbow», sagte Nell fröhlich. «Ich hab eine Überraschung für dich.»
    Benbow war auf der Hut. «Was denn?» fragte er mißtrauisch. «Ich hab uns Sandwiches gemacht, wir gehen zu Tante Mabel und Ulrike und machen ein Picknick. Es ist so schön draußen!» Benbow stählte. Bis heute abend, wenn sie zurückkamen und die Schule drohend näherrückte, lag eine Ewigkeit, ein Tag voller Sonne, ein ganzer Tag mit Ulrike...
    Blaß und schlank wie eine Blume stand das Kind an der Pforte und sah ihnen, ohne zu lächeln oder zu winken, entgegen. Als die beiden Besucher bis auf hundert Meter herangekommen waren, wandte sie sich um und ging ins Haus.
    Nell und Benbow folgten. «Na so was!» sagte Tante Mabel. «Nell und der Junge - das ist aber nett!» Sie gab beiden einen nassen Kuß. «Wo ist denn... Rieke!» schrie sie fröhlich. «Dein kleiner Freund ist da!»
    Benbow wurde blutrot. Langsam öffnete sich eine der wackligen Türen, und Ulrike schob sich herein. Sie warf Benbow einen freudigen Blick zu und starrte dann zu Boden.
    «Sie ist ein liebes Ding», sagte Mabel, «aber Gott weiß, was in ihrem kleinen Rappelkopf vorgeht.» Liebevoll strich sie dem Kind über den Kopf und versuchte zu übersetzen. «Ich hab gerade gesagt, du bist ein feiner Kerl. Wir zwei verstehen uns prima, was? Aber Gott allein», sie zeigte nach oben, «weiß, was in deinem kleinen Rappelkopf vorgeht.» Sie klopfte sich an die Stirn. Ulrike schien nur die Hälfte verstanden zu haben.
    «Geh und zeig ihm die Schweine, Liebchen», schlug Mabel vor. Schweine - das war ein Schlüsselwort für Ulrike. Sie und Benbow blickten sich an und gingen dann wortlos miteinander hinaus in die Sonne. Mabel zog Nell in die Küche und machte Tee. Als sie zusammen am Tisch saßen, sagte sie:
    «Ach Nell, du glaubst nicht, wie glücklich ich bin. Sieg ist hier, und die Kleine — ich hab sie so gern, die Kleine. Und ihr kommt manchmal her - das ist wunderbar. Früher ist nie jemand gekommen, manchmal war ich monatelang allein.»
    «Das freut mich, Tante Mabel, wirklich.»
    «Danke, Liebes. Das hab ich so gern an dir — du kannst dich mitfreuen. Die meisten gönnen einem die Freude nicht. Wie geht’s Lizzie?»
    «Och —mäßig.»
    «Bei ihr heißt das gut. Ich glaube, ihr ist es ihr Leben lang nur mäßig gegangen.»
    Nell fing an, von der Sache zu sprechen, die ihr am Herzen lag: «Ich glaube, Benbow freut sich nicht gerade auf die Schule morgen.»
    «Nein — die Kleine auch nicht. Drei Meilen hin und drei zurück, das ist ein langer Weg für so ein Küken. Immerhin, das schlechte Wetter haben wir wohl hinter uns.»
    Nell trank einen Schluck Tee. «Edith scheint viel Gebrauch vom Rohrstock zu machen.»
    «Das kann ich mir denken. Sähe ihr ähnlich.

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