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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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und Dampf und nasser Wäsche riechen würde.
    Der Montagmorgen war ihm sowieso verhaßt. Der Übergang war zu plötzlich. Sonntag - das hieß Braten mit Röstkartoffeln, ein Glas Limonade, bei gutem Wetter ein Spaziergang über den Spielplatz, wo er einen sehnsüchtigen Blick auf die Schaukeln warf, die sonntags alle hochgebunden waren, damit auch die Kinder den Feiertag heiligten, und abends saß man in der guten Stube am Klavier und sang Choräle, und Onkel Walter sang manchmal Pale hands I loved, beside the Shally, Ma.
    Montag - das hieß Arbeit und kaltes Hammelfleisch mit Kartoffelbrei. Und der Montagmorgen war trostlose Düsternis.
    Für Opa Dorman begann der Tag damit, daß er saubere Wäsche anziehen mußte. Ein lästiges Unternehmen. Die Hosenträger mußten durch die Schlaufen der langen wollenen Unterhosen gezogen werden, dann mußte er die Kragen- und Manschettenknöpfe an einem frischen Flanellhemd befestigen und ein sauberes, ungemütlich steifes Vorhemd anziehen. Aber schließlich hatte er es geschafft und kam nach unten.
    In der Küche brannte schon ein helles Feuer. Dafür hatte Benbows Mutter gesorgt. Und sie hatte auch schon den Tisch gedeckt - für Oma und Opa. Benbow stocherte mit dem Löffel in seinem Brei herum. Seine Mutter war in der Waschküche und machte mit Reisig und der Sunday Chronicle Feuer unter dem großen Waschkessel.
    «Sie will heute im Bett frühstücken, Nell», rief Opa ihr zu. «Sie fühlt sich nicht recht.»
    «In Ordnung», sagte Benbows Mutter und warf eine Schaufel Kohlen aufs prasselnde Feuer.
    «Heute nacht hat eine Straßenbahn draußen vorm Haus gehalten», verkündete Benbow.
    Niemand beachtete ihn. «Sie hat keinen Appetit. Nur ein Stückchen Toast», sagte Opa. «Und Tee, natürlich.»
    «Aber sie hatte keine Panne, und es hat auch keiner unter den Rädern gelegen.» Benbow gab sich alle Mühe, das Interesse der anderen zu wecken.
    «Und ich hätte gern zu meinem Spiegelei den Rest Wurst von gestern, Nell», sagte Opa. «Wenn du sie mir ein bißchen aufwärmst.»
    «Schön, Opa.» Nell blickte noch einmal in die züngelnden Flammen, dann ging sie in die Speisekammer und holte die graue Wurst. Opa nahm am Tisch Platz und schlug die Daily Mail auf. Benbow zog mit seinem Löffel das Bild des Sunny Jim auf dem Kraftflockenpaket nach. Dann sagte er: «Und als sie hielt, kam eine Dame und sprach mit dem Schaffner.»
    «Du kannst mir ja ’ne Scheibe Brot mitbraten», sagte Opa.
    Jetzt kam Benbows Mutter an den Tisch und fing an, Brot zu schneiden.
    «Und der Schaffner hat sie umarmt und geküßt», fuhr Benbow fort.
    Seltsam. Er hatte das schon manchmal bei Erwachsenen beobachtet: man konnte ihnen die interessantesten Sachen erzählen, und sie hörten überhaupt nicht zu. Wenn man dann aber noch irgendwas hinzufügte, konnte es geschehen, daß sie sich daran festbissen, als wäre es die Hauptsache.
    Opa ließ jetzt die Zeitung sinken, nahm den Kneifer ab, setzte ihn wieder auf und starrte Benbow an. «Was sagst du da?» fragte er. Und Mutter blieb mit der Bratpfanne in der Hand wie erstarrt stehen.
    «Ja», sagte Benbow, «sie hat draußen vor dem Haus angehalten. Eine von den offenen, ohne Verdeck.»
    «Und was war das mit der Dame?»
    «Die hat den Schaffner geküßt. Die Bahn mußte ganz lange warten.»
    Mutter stellte die Pfanne wieder auf den Herd. «Woher weißt du das eigentlich, Benbow?» fragte sie mit strenger Stimme.
    Wie üblich stellte sie genau die Frage, die er nicht hören wollte.
    Er sollte doch nach dem Zubettgehen nicht mehr herumstreunen, wie sie es nannte.
    Aber diesmal rettete ihn Opa mit zwei Worten, die Benbow zwar nicht verstand, die sich aber höchst bedeutungsvoll anhörten und sogar Mutter von ihm ablenkten. «Taffy Evans», sagte Opa. «Klingt mir ganz nach Taffy Evans.»
    Zu Benbows Überraschung erwiderte seine Mutter nichts darauf. Sie kam mit der Bratpfanne an den Tisch und schob das Spiegelei und die Wurst auf Opas Teller.
    Benbow sah sie verwundert an. Das freundliche Gesicht seiner Mutter war plötzlich rot geworden. Sie schob sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn und ging wieder in die Waschküche.
    «Taffy Evans», sagte Opa noch einmal. «Ich wette zehn Shilling, daß das Taffy Evans war.»
    Er legte die Zeitung beiseite und machte sich an sein Frühstück. Nach jedem Bissen schlürfte er einen Schluck Tee durch seinen rötlichbraunen Schnauzbart. (Tee war sein Lebenselixier.)
    Nell hockte vor dem Kamin und hielt Omas Toast

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