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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Gründer eines tausendjährigen Reiches, der mit Deutschland siegen oder untergehen würde. So redete er. Und er hatte schon viel erreicht, weil er die Schwächen und Ängste der Menschen so gut kannte und auszunutzen verstand.
    In England mußten die aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten feststellen, daß Helden nicht begehrt waren. Die Arbeitslosigkeit stieg. Die Bergleute und die Grubenbesitzer standen einander mit mehr Haß und Bitterkeit gegenüber als einst die Deutschen und die Engländer in den Schützengräben in Frankreich. Und die Kluft wurde immer noch größer. Man bezog Stellungen, zog immer tiefere Gräben, und am 3. Mai 1926 wurde durch die Ausrufung des Generalstreiks der Krieg erklärt.
    Aber die Engländer hielten diesen Zustand nicht lange aus: sie waren zu tolerant. Als sie merkten, daß das Land am Rande des Bürgerkriegs stand, bekamen sie es mit der Angst zu tun und zogen sich wie erschreckte Kaninchen in ihre Schlupflöcher zurück. Das heißt, sie machten weiter wie bisher und schlugen sich irgendwie durch.
     
    Benbow interessierte sich noch nicht für diese Dinge. Es gab so viel anderes: Kricket, Fußball, Mathematik, Chemie.
    Als er eines Tages - er war inzwischen sechzehn - mit seiner Mutter Einkäufe machte und Nell vor einem Schaufenster stehenblieb, sagte plötzlich eine weiche Stimme hinter ihnen: «Hallo! Tag, Nell.»
    Nell und Benbow drehten sich um. Vor ihnen stand eine elegant gekleidete Dame. Sie trug ein Schneiderkostüm mit einem kleinen Pelzkragen um den Hals. Benbow fand sie wunderschön, obwohl sie nicht mehr jung war — bestimmt schon fast dreißig, dachte er. Ihre dunklen Augen funkelten. Ihr Blick war wachsam und ein wenig spöttisch.
    «Vanwy!» fuhr es Nell heraus. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt und wandte sich zum Gehen.
    «Nell!» sagte Vanwy fast zärtlich. «Das ist doch nun über zehn Jahre her! Ich bin jetzt wieder hier - ich arbeite wieder bei Derwent.»
    Benbow hörte ihr gespannt zu und starrte sie an. Tante Vanwy -er kannte den Namen aus der Zeit, als er noch ein kleiner Junge war. Diese elegante, nach Parfum duftende Dame mit ihrer erregenden Stimme - war das wirklich seine Tante?
    Nell blieb stehen, aber sie lächelte nicht. «Was macht — er?» fragte sie fast gegen ihren Willen.
    «Ach, Nell, wie soll ich das wissen? Beim Generalstreik hat er sich davongemacht, mit irgendeiner kleinen grauen Maus.»
    Während sie sprach, musterte sie Benbow von oben bis unten und sah ihn dann mit einem bewundernden Lächeln an. «Sag, Nell, das ist doch nicht etwa Benbow?»
    «Doch», sagte Nell kurz.
    «Wie hübsch er geworden ist!» Ihre Augen wanderten über die weichen vollen Wangen, die klaren Augen und das wellige braune
    Haar. Dann wandte sie sich Nell zu. «Kommt doch mit und trinkt eine Tasse Tee bei mir. Ich habe eine kleine Wohnung, unten, in der Draycott Street.»
    «Danke, nein», sagte Nell schroff. Was hatte Vanwy da gesagt - über zehn Jahre? Nun, auch ohne Vanwy hätte er sie, Nell, bestimmt längst verlassen. «Komm lieber mit zu uns zum Tee.» Sie sagte es mürrisch, ohne ein Lächeln, aber ihre Gutherzigkeit behielt wieder einmal die Oberhand.
    Vanwy erkundigte sich interessiert nach Benbows Schule, fragte, welche Fächer und welche Sportarten ihm die liebsten seien. Nell beobachtete argwöhnisch, wie ihr sonst so stiller Sohn plötzlich gesprächig wurde.
    Benbow, der in der engen klösterlichen Atmosphäre des Hauses seiner Großeltern und der Schule aufgewachsen war, hatte noch nie einer Frau gegenüber gesessen, die sich so offen und selbstverständlich als Frau gab. Die Frauen, die er kannte, Oma, die Großtanten, Tante Edith und seine Mutter, verbargen diese Seite ihres Wesens so weit wie möglich. Tante Vanwy war von einem betörenden Duft umgeben, und sie war schön und begehrenswert. Als er ihr beim Abschied die Haustür öffnete, sah sie ihn prüfend an, nahm ihn bei den Schultern, zog ihn an sich und drückte ihren leicht geöffneten Mund auf seine Lippen. Und einen Augenblick lang preßte sie ihren ganzen Körper an den seinen. Dann schob sie ihn wieder von sich und sah ihn mit einem zufriedenen Lächeln an.
    In diesem Moment kam Nell in den Flur. Sie sah das Lächeln, und sie sah Benbows rotes Gesicht. Meinen Mann hat sie gehabt, aber meinen Sohn kriegt sie nicht, dachte sie empört. «Auf Wiedersehen, Vanwy», sagte sie bestimmt.
    «Komm doch mal mit deiner Mutter zum Tee zu mir, Benbow», sagte Vanwy immer noch lächelnd.

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