Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit
setze?«
Euphemia erwartete offenbar gar keine Antwort auf ihre Frage; schneller, als ein umgekippter Kelch sich auf den Boden ergießen konnte, hatte sie die Machtposition eingenommen. »Das ist sehr rücksichtsvoll von Euch, Kind.«
Raen stand dicht hinter Brenna – zu dicht –, und als sie sich von ihm wegbewegen wollte, legte er ihr die Hände auf die Schultern, damit sie nicht gehen konnte. »Mutter, Brenna ist kein Kind mehr. Ein Blick genügt, um zu erkennen, daß sie eine erwachsene Frau ist.«
»Bitte, Raen! Verbessere mich nicht«, sagte Euphemia entrüstet.
Ihr Sohn ignorierte den Kommentar und neigte den Kopf, um Brenna ins Ohr zu flüstern. »Setzt Euch am Tisch neben mich und erzählt mir von Eurer Hochzeit.«
Brenna wußte, daß er ihren Ekel in ihrem Gesicht würde lesen können, wenn sie sich zu ihm umdrehte, daher richtete sie ihre Worte vorsichtshalber an Euphemia. »Ich möchte die Wiedersehensfreude nicht durch meine Anwesenheit trüben.«
»Unsinn. Ich habe sie noch vor einer Woche besucht.«
»Oh? Ich weiß auch nicht, warum ich angenommen habe, daß es viel länger her sein muß«, log sie, denn sie erinnerte sich sehr gut, daß Euphemia am Abend zuvor erklärt hatte, sie habe ihren Sohn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. »Aber für eine Mutter ist eine Woche doch schon eine grausam lange Zeit, nicht wahr, Lady MacAlister?«
»Eigentlich nicht«, antwortete sie.
»Raen, du stehst entschieden zu nah bei Lady Brenna; das schickt sich nicht. Außerdem lasse ich mich nicht länger ignorieren. Komm her und setz dich zu mir.«
»Oh, verzeiht! Mir war nicht bewußt, daß ich so nah bei ihr stehe.« Raen klang so überrascht, daß seine Mutter ihm offenbar glaubte. Brenna, die sich nicht so leicht täuschen ließ, unterdrückte einen erleichterten Seufzer, als er von ihr abließ und zum Tisch schlenderte.
»Brenna, Ihr habt meine Erlaubnis, Euch Euren Aufgaben zu widmen. Raen, ich habe dir etwas Interessantes zu erzählen.«
Brenna hastete zur Tür, bevor Euphemia ihre Meinung ändern konnte, doch Raen hielt sie noch einmal auf.
»Wir haben eben Donner gehört. Hat es geregnet, als Ihr hereinkamt?«
»Ja.«
»Und warum sind Eure Kleider dann nicht naß?«
Nun, die Wahrheit würde sie ihm bestimmt nicht sagen. »Zwei freundliche Knechte hielten Umhänge über mich.«
Er nickte; anscheinend glaubte er ihr die Lüge. »Ich hoffe, daß es bald aufhört. Ich hasse es, drinnen eingesperrt zu sein.«
Aha. Der Regen war also ein Grund für ihn, nicht hinauszugehen. Brenna fand das erstaunlich, da sich Connors Soldaten niemals von der Wetterlage abhalten ließen, draußen zu üben. Offenbar war Raen ganz und gar nicht wie andere Männer. Er wirkte verwöhnt und verweichlicht, aber wahrscheinlich bemerkte er es nicht einmal.
Wie, in Gottes Namen, sollte sie bloß das Abendessen durchstehen? Hoffentlich mußte sie nicht neben Connors Stiefbruder sitzen. Allein der Gedanke daran verschlug ihr den Appetit.
Den Rest des Tages mied sie den Saal, doch irgendwann war es an der Zeit, sich zum Abendessen zu setzen. Zu ihrer Überraschung entwickelte sich der Abend recht angenehm. Euphemia war weniger unleidlich, und Raen zeigte sich als charmanter Unterhalter. Er saß Brenna gegenüber und verkürzte ihnen den Abend mit amüsanten Geschichten aus seiner Vergangenheit. Als sie schließlich hinauf in ihre Kammer ging, freute sie sich sogar schon auf die nächste Mahlzeit mit ihm.
Nachdem auch der nächste Abend so erfreulich verlaufen war, meldete sich Brennas schlechtes Gewissen, weil sie ihn allein auf den ersten Eindruck hin so vorverurteilt hatte. Sie hatte sich geirrt. Ja, Raen war für ihren Geschmack bei ihrer ersten Begegnung zu vertraulich gewesen, aber sicherlich nicht, weil er irgendwelche lüsternen Hintergedanken gehabt hatte. Vielleicht wußte er es wirklich nicht besser! Und vielleicht versuchte er auch, die Indifferenz seiner Mutter gegenüber ihrer Schwiegertochter ein wenig auszugleichen, indem er ihr zeigte, daß sie seine Sympathie besaß.
An diesem Abend ging sie mit der Erkenntnis ins Bett, schlichtweg überreagiert zu haben; sie schwor sich, daß es nicht noch einmal vorkommen würde. Jeder verdiente eine Chance, sich zu beweisen.
Am dritten Morgen von Connors Abwesenheit erwachte sie bei strahlendem Sonnenschein und in bester Laune. Sie warf die Decke von sich und lief zum Fenster. Diener rannten draußen umher, und aus ihren glücklichen Mienen schloß sie, daß die
Weitere Kostenlose Bücher