Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit
Plaid gehüllt, das hinter ihr über den Boden schleifte. Das Mädchen hatte es so eilig, die Treppe hinunter zu laufen, daß sie nicht daran dachte, die Decke zu raffen. Sie war bereits einmal gestolpert, als Brenna sich in Bewegung setzte, um ihr zu helfen.
Brenna begann zu laufen, als die Kleine ein zweites Mal stolperte. »Heb dein Plaid auf und bleib stehen«, rief Brenna. »Ich komme hinauf und helfe dir.«
Die Kleine schien sie nicht zu verstehen. Sie eilte weiter, während sie durch das Geländer neugierig auf die fremde Frau hinabblickte. Die Katastrophe schien unvermeidlich. Brenna stürmte auf die Treppe zu.
Doch sie schaffte es nicht. Als die Kleine die oberste Stufe erreicht hatte, trat sie auf das Plaid, verlor das Gleichgewicht und katapultierte sich in die Luft.
Brenna machte einen Satz nach vorne und stieß sich ab. Im Sprung breitete sie die Arme aus, um das Mädchen aufzufangen. Die Wucht des Aufpralls schleuderte sie zurück, und ihr letzter Gedanke war, sich so zu drehen, daß sie mit der Schulter und nicht mit dem Kopf auf der Treppe aufschlagen würde. Es sollte ihr nicht gelingen.
Später erzählte Jamie ihr, daß sie gleich zweimal mit dem Kopf gegen die Treppe geschlagen war, bevor sie, das Kind noch immer schützend in den Armen, bewußtlos geworden war.
Brenna erholte sich von dem Mißgeschick etwas schneller als Jamie, aber ihr ganzer Körper schmerzte, als ob eine Herde Schafe über sie hinweggetrampelt war. Ihre Stirn fühlte sich an wie ein glühender Ballon, doch als sie sich erst einmal vergewissert hatte, daß das Kind keine Verletzung davongetragen hatte, war sie sogar in der Lage, über ihren jämmerlichen Zustand zu lächeln. Blut rann ihr über das Gesicht, der Saum ihres Kleides war eingerissen, und das Plaid, das sie mit solcher Sorgfalt in Falten gelegt hatte, sah aus wie ein alter Lappen.
Jamie stand noch derart unter Schock, daß sie kaum denken konnte. Sie hatte sich auf eine Stufe oberhalb von Brenna gesetzt, ihr Baby in den Schoß gezogen und wiegte es jetzt ängstlich in ihren Armen. »Lieber Gott, ich dachte, ihr würdet beide umkommen! Geht es Euch gut, Brenna? Bitte bewegt Euch nicht, bis ich … – Grace, was hast du dir nur dabei gedacht? Du weißt doch genau, daß du nicht allein Wie oft hat dein Vater dir schon gesagt, daß du einen von uns rufen sollst? Brenna, ist alles in Ordnung? Antwortet mir doch!«
Jamie schluchzte, und Brenna war überzeugt, daß sie ohnehin nicht hören würde, wenn sie tatsächlich eine Antwort gab. So wie sie auf der Treppe ausgestreckt lag, kam sie sich ein wenig albern vor, also zwang sie sich, auf die Füße zu kommen, um sich einigermaßen präsentabel zu machen. Himmel, das schien heute ihre Hauptbeschäftigung zu sein.
»Brenna, bewegt Euch nicht, bis wir sicher sind, daß Ihr Euch nichts gebrochen habt.«
»Schon gut, Jamie.«
»Aber Herr im Himmel, Ihr steht ja auf!«
»Mama, müssen wir es Papa sagen?«
»Nein, nicht wir. Du wirst es ihm sagen.«
Grace rutschte voller Unbehagen auf Mutters Schoß herum. »Aber erst, wenn ich bereit bin, Mama?« flehte sie. »Nicht vorher?«
Jamie nickte. »Also gut«, willigte sie ein. »Doch du mußt es ihm sagen, bevor du ins Bett gehst.«
»Warum vergessen wir nicht einfach, daß es passiert ist, Jamie? Es war ja nur ein Unfall.«
Grace schien verstanden zu haben, was Brenna vorschlug, denn sie drehte sich interessiert zu ihr und nickte eifrig.
»Ich hatte solche Angst, daß ich wie gelähmt war. Ich sah mein Baby durch die Luft fliegen und glaubte, mir bliebe das Herz stehen. Ich wußte, daß ich sie nicht mehr erreichen konnte, bevor –« Der Gedanke allein ließ Jamie erneut in Tränen ausbrechen.
Brenna tätschelte ihren Arm. »Na, na, es ist ja vorbei. Eure Tochter ist gesund und munter. Sie hat doch noch nicht einmal einen Kratzer abbekommen.«
Sie half Jamie, aufzustehen, legte ihr einen Arm um die Schulter und führte sie in den Saal hinein.
Jamie saß bereits am Tisch, bevor sie begriff, was sie da tat. Sie sprang auf die Füße und stieß Brenna auf einen anderen Stuhl, so daß Brenna hart auf ihrem Hinterteil landete. Ein scharfer Schmerz schoß durch ihren Oberschenkel, und sie mußte sich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien.
Endlich bemerkte Jamie die Wunde auf ihrer Stirn. »Mein Gott, Ihr blutet ja.«
»Nur ein kleiner Kratzer, nichts weiter. Bitte setzt Euch, Jamie. Ihr zittert am ganzen Leib.«
»Aber ich muß mich unbedingt um Euch kümmern.
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