Und die Eselin sah den Engel

wie eine staubige rote Zunge in die Ferne, die schäumende Wut war abgelaufen.
    In der Hecke rechts raschelte etwas. Dort lauerten seltsam pulsierende Schatten im Hinterhalt. Hinter einer Kiefer am Straßenrand blinkte eine Machete auf.
    Ich fuhr zurück. Von hinten wehte mich leises Lachen an. Ich wirbelte herum. An ein paar Kornsäcke auf der Ladefläche eines Kombis gelehnt, schnitzelte hämisch kichernd ein hagerer hohlwangiger Jugendlicher mit einem großen Messer an einem Stück Holz herum. Ohne den Blick von ihm zu wenden, fing ich an rückwärts zu gehen. Mein Fuß quatschte in seinem Stiefel. Ich sah runter. Aus der Stiefelspitze quoll eine kleine Lache hellen Bluts. Glänzte im Staub wie ein Juwel. Hinter mir bemerkte ich eine ganze Spur solcher Juwelen.
    Eine zahnlose Hexe beobachtete mich von ihrem Fenster, verzog sich dann aber.
    Ich blickte auf und sah, wie der hohlwangige Kerl sein Messer in meine Richtung stieß und umdrehte. Er fletschte die Zähne. Sie waren schwarz, und brauner Schaum stand um seinen Mund.
    »Was kuckste so blöd?« kläffte er gehässig. Ich merkte, er war sehr verrückt, sehr wahnsinnig.
    »Verdammich, was kuckste so blöd?«
    Ich drehte mich um, wollte weglaufen. Wie ein Speer schoß Schmerz mein Bein hoch. Die Luftatome wurden rot. Überall. Ich stolperte weiter, hielt mir dabei das Bein.
    Hinter mir kicherte ein Haufen Kinder, aber ich konnte sie nicht sehen. Die Luft war zu rot.
    Der Wind flüsterte. Schnatterte. Eine Million Kiefernnadeln regneten klirrend auf mich nieder.
    »Was ist nur los?« dachte ich, und wieder wurde der Boden unter meinen Füßen schwammig, und wieder bin ich wohl hingefallen. Ich weiß nur noch, ich lag auf dem Rücken und sah über mir die Markisen vor den Geschäften, Laternenpfähle, knisternde Drähte, Straßenlaternen, Baumwipfel, den dämmrigen Himmel, Vögel, und erkannte die von allen Dingen ausgehende Gefahr.
    Und dann kroch ich auf Händen und Knien. Meine Handflächen brannten. Bluteten. Mein Mund war voller Grus. Die Augen verschleiert. In einem Hauseingang konnte ich drei Männer mit falschen schneeweißen Bärten sehen; ihre Waffen hatten sie in Zeitungen versteckt. Ein Schwarzer mit einem Handtuch überm Arm schob sich an ihnen vorbei. Er war wütend. Sein Haar war aus Stahl.
    »Was steht’n ihr hier so faul herum?« sagte er und ging auf mich los, und erst da bemerkte ich das verdammt große Rasiermesser in seiner Hand. Ich ruderte wild mit den Armen. Schwang die Fäuste.
    Und rannte. Und sah mich um. Die Männer waren jetzt auf der Straße, wischten sich die Verkleidungen ab und drohten mir mit den Fäusten. Der Schwarze hatte die Schwammigkeit der Straße nicht bedacht und war lang in den Staub geschlagen.
    Zu meiner Rechten – nein, zu meiner Linken – hielt sich ein Mann mit einer riesigen Schere in den Händen hinter der Hecke des Memorial Square versteckt. Er sah mich an und hackte drohend in die Luft.
    Ich sah eine Lerche schreien.
    Und erst da fiel es mir so richtig auf.
    Ich rannte ja mitten durchs Stadtzentrum. Ein Lastwagen polterte hupend vorbei. Ich rannte schneller. Mitten durchs Zentrum der Stadt, mitten auf der Hauptstraße. Ich sah mich nach meinen Verfolgern um. Der alte Neger war wieder auf den Beinen, die Männer klopften ihm den Staub ab, aber niemand kam mir nach.
    Lauf. Sieh nicht zurück. Lauf. Sieh nicht wieder zurück, dachte ich.
    Und da kreuzte vor mir jemand die Straße, es war …
    Aber ich war zu schnell. Zu spät, noch anzuhalten.
    Wir stießen zusammen.
     
    Eigentlich wollte ich euch das gar nicht erzählen, aber es muß wohl sein. Ja. Ja, es muß wohl sein. Aber ich will nicht – krieg schon bei dem Gedanken daran eine Gänsehaut.
    Begleitet mich in die Nacht davor. Die Nacht vor dieser hastigen Flucht.
    Ich war draußen auf der Vordertreppe der Hütte eingeschlafen – soviel weiß ich noch – und bin dann anscheinend irgendwann in der Nacht reingegangen, denn am nächsten Morgen bin ich auf meinem Bett aufgewacht, nackt, verkatert, Schmerzen am ganzen Körper. Ich schwang die Beine über den Rand und starrte das kleine weiße Nachthemd in meinen Händen an. Ich betastete das feine Baumwollgewebe, hingerissen von seiner Weiße, und besah ungläubig das ins Oberteil eingestickte Zeichen. Beths Nachthemd.
    Als ich aufstand, protestierte mein ganzer Körper mit Schmerzen. Ich bückte mich nach einer halbleeren Flasche White Jesus. Ich sah in den Spiegel und erstarrte.
    Ich hatte Angst. Hätte mir