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Und die Eselin sah den Engel

Und die Eselin sah den Engel

Titel: Und die Eselin sah den Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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in die Hose machen können.
    Rücken und Schultern waren dicht mit blauen Flecken übersät, einige klebten von Blut. Schlimme Blutergüsse, die am Abend zuvor, als ich auf der Treppe einschlief, bestimmt noch nicht dagewesen waren.
    Ich kroch auf mein Bett zurück und legte mich, noch immer das Nachthemd umklammernd, vorsichtig auf den Bauch, aber so, daß ich die Hütte ganz überblicken konnte – all den Dreck und all das Elend und all die Fäulnis –, und ich faltete das helle weiße Nachthemd und legte es mir unter die Wange. Ich roch den süßen Lavendel darin, spürte die Weichheit und Reinheit des Gewebes.
    Vielleicht erahnte ich in diesem schwermütigen Augenblick mein Schicksal, denn heiße Tränen strömten über meine Wangen, als ich da so auf dem Bauch lag und nicht wußte, was ich tun sollte oder was ich getan hatte – wie um alles in der Welt war ich in den Besitz von Beths Nachthemd gelangt, und wie in Gottes Namen war ich zu diesen grauenhaften Quetschwunden gekommen? Endlose Fragen bestürmten mein Gedächtnis, doch ich stieß jedesmal ins Leere. Was hab ich letzte Nacht getan? Bin ich in die Stadt gegangen? Hab ich Beth besucht? Bei dem Gedanken schauderte ich. Hatte ich mir die blauen Flecken auf meinem Rücken selbst beigebracht? Hatte ich mich mit einem meiner Tiere gerauft? Waren die bösen Schrammen Gottes Werk? Satans? Wieso fühlte ich so eine schreckliche Angst in mir? Und Qual?
    Und ich lag auf dem Bett, verfolgt von Tausenden solcher Fragen, die durch die Anwesenheit des lavendelduftenden Kleidungsstücks nur um so bitterer schmeckten. Und ich entfaltete das Nachthemd, hielt es auf Armeslänge vor mich hin, und ließ es dann in Ringen jungfräulichen Lichts und heiligen Lavendels über mein schamerfülltes, mein tränenüberströmtes Gesicht sinken.
     
    Wir stießen zusammen.
    Sie war über die Straße geschlendert und hatte mich nicht kommen sehen. Und ich sie auch nicht auf meiner kopflosen Flucht.
    Himmel. Erde.
    Ich stand, nach Luft ringend, mitten auf der Straße.
    Ich hielt ein kleines Mädchen an den Oberarmen. Ich fühlte ihre weichen warmen Schultern und das Gewebe ihres Kittels unter meinen zerschürften Handflächen. Mein Kopf schwamm in einem Meer randalierenden Bluts.
    Ich hielt die Luft an. Ich hielt die Luft an ich hielt die Luft an ich hielt Beth ich hielt … Ich hielt Beth!
    Beth sah zu mir auf, und meine Gedanken stammelten.
    ›O mein … o mein Gott … o bitte … bitte, nicht schreien … bitte nicht weinen … Bitte nicht schreien!‹
    Doch Beth hatte nicht die Absicht, zu schreien, oder zu weinen. Sie sah einfach zu mir hoch, sah mit großen schwimmenden Augen aus ihren gescheitelten goldenen Locken hervor. Ich fühlte sie in meinen Händen zittern, aber Angst hatte sie nicht. Und auch keinen Schaden erlitten.
    Beth lächelte und – und – na ja, es war kein böses Lächeln – nein, zumindest kam es mir nicht so vor –, und dann sprach Beth – zu mir. Ich hielt sie auf Armeslänge, aber sie trat einen Schritt näher. Sie holte tief Luft. Noch einmal. Ihr Lavendelduft schien den Gestank der Schweinescheiße und den ganzen anderen auf meinem Körper angesammelten Dreck dieses verpfuschten Tages aufzuheben. Hab ich euch erzählt, daß sie einen Schritt näherkam? Hab ich? Sie kam einen Schritt näher.
    »Du bist es«, sagte sie. »Du bist es. Du bist zurückgekommen. O Gott, ich dachte schon, du wärst böse auf mich. Verzeih mir, Jesus. Es tut mir leid, daß sie dich gestern nacht verprügelt haben. Die haben Angst. Ich aber nicht. Ich bin so froh, daß du gekommen bist. Ich habe dir so viel zu sagen. Aber das weißt du ja alles. Ich brauche dir nichts zu sagen. Sei auf der Hut, mein Erlöser. Die mögen dich nicht. Die werden versuchen, dir wehzutun. Schnell! Du mußt weg.«
    Sie schob mir etwas in die Tasche meiner Jacke. Ich starrte sie ungläubig an. Merkte, daß ich sie noch immer an den Schultern hielt, und ließ die Hände sinken. Ich sah in ihre überquellenden Augen. Sie biß sich auf die Unterlippe und schluckte, aus ihrem Auge rollte eine Träne.
    »Du hast den falschen Gott, Mädchen«, wollte ich sagen. »Letzte Nacht hab ich einen Zweitagerausch ausgeschlafen. Du bringst da wohl was durcheinander, ich bin kein …«
    Aber meine gedachten Antworten waren kaum geschlüpft, als sie auch schon eingeschläfert – ach was! abgewürgt – erdrosselt wurden von einem gräßlichen Kreisch zu meiner Rechten. Ich brauchte mich gar nicht erst umzudrehen,

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