Und die Eselin sah den Engel
renitente, im allgemeinen aber flehentliche Vertrauen der Anwesenden, überzeugte Ukuliten und Nicht-Ukuliten gleichermaßen.
Ein paar von den älteren Ukuliten machten halbherzige Versuche, den Prediger durch Fragen auf die Probe zu stellen, doch Poe wußte ihren Fallstricken und Fangeisen geschickt auszuweichen. Sogar die reizbare Wilma Eldridge, allzeit bereit, wenn es ein Hühnchen zu rupfen galt, mußte erleben, daß ihre Schmähungen sich gegen sie selber kehrten, als sie Poes Behauptung in Zweifel zog, daß er, ausgestattet mit dem Geist Elias’, mit göttlichem Auftrag in dieses Tal gekommen sei. In ihrem quietschenden Rollstuhl fuhr sie auf den Prediger los und unterbrach ihn mitten im Satz mit bitterem Krächzen: »Verzeiht, daß ich nicht vor Euch stehe, Prophet Poe, aber ich wünsche zu wissen, welches Zeichen der Herr Euch gegeben hat, auf daß Ihr beweisen könnt, daß Ihr seid, wer zu sein Ihr vorgebt?«
»Wer nicht blind ist, sieht es«, gab Poe zurück und trat einen Schritt vor; er gedachte nicht, sich von einem Krüppel einschüchtern zu lassen.
»Gewiß vermag der Allmächtige sich deutlicher zu offenbaren?« erwiderte sie und rieb ihre tauben Beine aneinander, bis die Knöchel weiß hervortraten.
»Blinder als der, welcher das Augenlicht verloren, ist der, welcher seine Augen fest verschließt und sich weigert, das Licht des Tages zu sehen.«
Worauf der Prediger einen anklagenden Finger ausstreckte und mit seiner Hand langsam einen Halbkreis beschrieb, bis sie auf jeden der Anwesenden gezeigt hatte. Ohne ein einziges Wort von sich zu geben, ließ Poe das gequälte Quietschen des Rollstuhls für sich weitersprechen. Mißmutig trat Wilma Eldridge den Rückzug an und rollte auf ihrer Schlammspur in den Hintergrund zurück.
»Und Ihr«, sagte Poe mit diffus zeigendem Finger, nachdem der Stuhl endlich sein gräßliches Quarren eingestellt hatte und er wieder der Aufmerksamkeit der Gemeinde sicher war, »Ihr Hähne auf dem Mist, Ihr Prahlhänse auf dem Misthaufen der Welt, Ihr, die Ihr den Teufel unterm Schwanz geküßt habt, betet zu Gott dem Allmächtigen, daß Er Gnade mit Euch walten lasse! Denn schon hat Sein Jäger die Pfeile gezückt, und sein Ziel ist gerade und sauber wie der Weg ins Himmelreich. Betet, Ihr, die Ihr Euch im Schlamm wälzt, betet, denn Sein Jäger hat sich auf den Weg gemacht! Die Herzen der Sündhaften zu durchbohren, auf daß ihre Reste von der Erde verschlungen werden!«
»Wer ist der Jäger?« rief eine zitternde Stimme.
»Er steht eben jetzt vor Euch«, sagte Abie Poe.
Die Kirche stand schwankend auf zwei Fuß hohen Kiefernholzstelzen; und darunter lag ich, als ich Poes erster Predigt lauschte. In meinem Schlupfwinkel hörte ich jedes seiner Worte, hörte seine humpelnden Schritte, das feierliche Hallelujagemurmel der Gemeinde und das Kreischen des Rollstuhls, und aus der Lautstärke seiner Donnerworte schloß ich, daß sie Selbsttäuschung nicht minder waren als Betrug seiner Zuhörer.
»Wer ist der Jäger?«
»Er steht eben jetzt vor Euch!«
Ha! Welche Ironie! Armer irregeführter Poe! Die Weissagung des verrückten Predigers war beinahe richtig! O, die Qualen der Heiligen und Möchtegernheiligen. Ha! Nie sich im Ruhm der Erfüllung seiner Prophezeiungen zu sonnen! Hätte er doch nur gewußt, daß der Jäger, nach dem sie ihn fragten, in Wahrheit ich war!
»Wer ist der Jäger?«
»Er liegt eben jetzt unter Euch!«
Die Dielen polterten, als die Gemeinde sich zum Gehen erhob. Da ich fürchtete, entdeckt zu werden, und nicht wagte, über das Plateau, das mir keine Deckung bot, davonzulaufen, kroch ich unter eine große Plane, die über einem Stapel Kiefernbretter lag. Ich hörte sie nur in Armeslänge über mir die Treppe hinabsteigen, fühlte mich aber, die Augen geschlossen und den nicht unangenehmen Geruch von Schimmel und feuchter Leinwand einsaugend, sicher in meinem Schlupfloch. Rote Sträuße blühten hinter meinen Lidern. Ein Gespinst atmete auf meinem Gesicht, und die Spinnen des Schlafs spannen ihren süßen Schlummer – Ich träum, ich bin ein Jäger; bekleidet allein mit Köcher und Bogen, lasse ich eine Spur toter Tiere hinter mir. In hohem Zuckerrohr schleiche ich an unbekanntes Wild heran. Cosey Mo läuft mir über den Weg, in einem dünnen weißen Petticoat und barfuß. Ich schäme mich meiner Nacktheit, sie aber winkt mich lächelnd heran, und obgleich ich mich an den scheußlichsten Bestien gemessen habe, zittere ich wie ein Blatt, als
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