Und die Eselin sah den Engel
glaube, in diesem Augenblick hörte ich – zum allerersten Mal – Gottes Stimme zu mir sprechen – ja, ich glaube, daß Gott versuchte, mit mir zu sprechen. Denn durch das immer lauter aufbrausende Singen hörte ich – in meinem Kopf – eine Stimme, gedämpft und leise, aber deutlich abgesetzt und unterschieden von den Gesängen.
»Euchrid«, sagte die Stimme, »Euchrid …«
Ein leiser Donnerschlag. Ein grelles Blitzen – und in diesem Augenblick wurde ich an beiden Armen hochgezogen und auf die Füße gestellt und von der hügelan und hügelab Poe nachhastenden Menge mitgerissen. Gestoßen und gerüttelt und geschüttelt, taumelte ich inmitten dieser Horde triefender barfüßiger Kreaturen wie ein Blinder auf einer belebten Straße. Übertönt vom Donnerama des Gewitters, hatte ich sie nicht kommen hören, doch in ihrer tobenden Mitte herrschte ein solches Getöse, daß der Krieg am Himmel dagegen schier friedlich wirkte.
Finsternis tränkte das Tal, als die Männer und Frauen den matschigen Hang im Schlepptau Poes hinabrutschten, der sie unter wildem Gefuchtel in weitem Halbkreis um meine Hütte führte, bis er schließlich am Rand des trüben, rings um das Sumpfland angeschwollenen Wassers haltmachte – ein mächtiger Graben, ein geschlossener Gürtel schwarzen giftigen Wassers.
Jenseits der keilenden Menge, die jetzt am unberechenbaren Rand des Grabens wankte, sah ich Poe furchtlos in das pechschwarze Wasser waten. Er trug nur mehr weiße Unterwäsche; sein unheimliches schwarzes Jackett, das schwarze Hemd und den lächerlichen schwarzen Hut – ich hasse Hüte – hatte er abgelegt und auf sicherem Boden bei seinem Pferd gelassen. So wie der schwärmende Lulatsch da ins Wasser stieg und immer tiefer in den Senkteich seiner verquollenen religiösen Tollheit hineinwatete, bin ich des Glaubens, daß er sich selbst nicht als einen in einer langen Reihe von Jüngern sah, die das heilige Ritual der Taufe zelebrierten; sondern eher hielt sich dieser kachektische und bartlose Marktschreier, der seinen Anhängern jetzt zuschrie, sie sollten ihm folgen, für den großen haarigen Wassersüchtigen selbst, und wähnte, seine durchnäßten formlosen langen Unterhosen seien zumindest aus Kamelhaar gewirkt.
Verschreckt von Poes Schimpfkanonade und der schaurigen Aussicht, die er jenen verhieß, die sich an seiner exoterischen Waschung nicht beteiligten, waren ein paar aus der Menge zaghaft ins Wasser gestakst. Binsen schwankten und wankten in den flachen Fluten. Von allen Seiten wimmelten Leute heran und rempelten mich weiter.
Einige der nicht ganz so hysterischen Teilnehmer standen weiter hinten am Ufer wie eine Schar Wasservögel; auf einem Bein balancierend, krempelten sie sich die Hosen hoch und zogen ihre schweren schwarzen, ihre gestärkten und mit Schlamm bespritzten Hemden aus. Andere scharten sich am vordersten Rand des Ufers, das keineswegs trittfest war – falls ihr wißt, was ich meine –, im großen ganzen war es einfach schlüpfrig und nachgiebig und abschüssig und nicht gerade sicher. Ich war ein Tier in Unterwäsche, gesperrt in einen Käfig aus Beinen – grauen, haarigen, schlammverkrusteten und unbeschuhten Beinen – und langsam hatte ich die Nase gestrichen voll davon, daß man dauernd auf mir rumtrampelte, mich trat und über mich stolperte. Am liebsten hätte ich geschrien: »Laßt mich hier raus! Ich will nicht sauber werden! Mein natürlicher Zustand ist Unsauberkeit. Ich bin ein durch und durch schmutziger Mensch. Rückt zur Seite und laßt mich hier raus!« Aber man stieß und drängte mich immer weiter und weiter und weiter voran.
Petroleumlampen warfen dünne Binsenschatten über die teerschwarzen Fluten, und dazwischen harkten goldene, unheimlich zuckende Lichtfinger das schwellende Reich des fanatischen Täufers.
»Lobet den Herrn!« kreischte Hilda Baxter, die, nach ihrer vollbusigen Atemnot zu urteilen, offenbar ohne jede Hilfe Wilma Eldridge auf ihren wackligen zwei schlammverklebten Rädern von der Kirche bis an den Rand des Taufbeckens geschoben hatte. Jetzt aber hatte sie – so schien es jedenfalls – vor schierer Erschöpfung den Verstand verloren; denn ohne den lautstarken Protest der krüppligen Vettel zu beachten, verließ sie ihren Platz hinter dem Rollstuhl, machte einen monströsen Satz in den rabenschwarzen Pfuhl und brüllte mit Donnerstimme:
»Ich bin schlecht! Ich bin böse! Meine Seele stinkt!« schrie sie dem Prediger zu, während ich an ihrem Platz hinter
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