Und die Goetter schweigen
lautlos, so als ob sie in Watte gepackt wären, bewegten sich die Wischer über die Windschutzscheibe. »YES, I’m gonna be a star«, summte Disa beinahe eine Oktave tiefer und weit weniger überzeugend. »YES, I’m gonna be a star.«
Freyjas Volvo stand am Straßenrand geparkt. Das Schloss war eine Kleinigkeit für jemanden, der in den richtigen Kreisen verkehrt hatte. Disa trug Linda in das kalte Auto. Startete den Motor, stellte die Heizung an und ließ den Wagen im Leerlauf stehen. Linda wachte auf und weinte. »Mama, Maamaa!«
»Mama kommt bald«, zischte Disa und schlug die Autotür zu. Das Haus war erleuchtet. Kristers Schatten zeichnete sich gegen die Wohnzimmertapete ab. Er ging ans Fenster, sah hinaus und ging dann zurück zum Sofa, stand auf und ging in die Küche. Besser wäre es natürlich gewesen, wenn er sich schon schlafen gelegt hätte, aber darauf konnte sie nicht warten. Na siehst du, jetzt ging er ins Schlafzimmer. Wenn sie eine halbe Stunde wartete, würde der Erfolg ihres Vorhabens erheblich größer sein. Disa stieß das Messer in den Reifen des Mercedes. Das ging schwer, aber sie hatte starke Fäuste. Sie musste beide Hände nehmen, um das Messer wieder herauszuziehen. Mit dem Kanister in der Hand schlich sie sich danach auf die Rückseite des Hauses, schloss die Kellertür mit ihrem Schlüssel auf und ging hinein. Im Heizungsraum nahm sie sich Anmachholz, Zeitungspapier und zwei Holzkloben.
Lautlos drückte sie die Klinke der Tür zur Diele hinunter und schlich sich ins Kinderzimmer. Es war dunkel. Sie traute sich nicht, Licht zu machen. Disa legte ihre Last auf den Boden. Sie vergewisserte sich, dass der Haufen unter der Gardine lag, verteilte das Benzin im Zimmer, bis der Kanister leer war, und steckte es an. Danach verschwand sie auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen war. Als der Volvo losfuhr, sah sie bereits die Flammen im Fenster des Kinderzimmers. Golden und fröhlich züngelten sie in dem Raum, leckten an den Wänden und hinterließen schwarze Rußflocken, als das Feuer sich ausbreitete. An der Einmündung der Smedjegränd in die Storgatan wurde sie von einem Streifenwagen überholt. Der fuhr ohne weiteres vorbei. Odin hatte das Sehvermögen der Abtrünnigen getrübt, hatte sie mit Blindheit geschlagen. Disa hatte das Recht, Odin und die Nornen auf ihrer Seite. Sie war unverwundbar! Das Auto fuhr auf dem Weg den Berg hinauf an der Kirche vorbei. »Klinge, Glocke, klinge hinaus in die dunkle Winternacht.« Groß und mächtig ragte sie wie beseelt ins Dunkel. »Lass das Alte ausklingen und verkünde das Neue.« Disa schnaubte bei dem Gedanken. Die sollten ruhig glauben, dass es ganz einfach war, das Alte loszuwerden. Da konnten sie in ihrer Neujahrsmesse sitzen und ihren Christus Menschensohn um Hilfe bitten und um Schutz vor dem Mörder in Kronköping. Der Weg war schmal und steil. Zum Glück war er vor kurzem geräumt worden. Die Schneewälle an beiden Seiten waren dick. Als Kind hatte Disa die Sommer hier verbracht, bei ihrer Großmutter. Sie kannte die Pfade und Häuschen besser als die meisten anderen. Die Scheinwerfer beleuchteten den ausgefahrenen Weg über die Schießbahn und hinein in den Wald. Der Schnee fiel immer dichter und verwehte die Spuren hinter ihnen.
Tief im Wald lag das Häuschen des alten Jacob für sich allein. Eine Kate mit halb verfallenem Stall. Der Schlüssel steckte unter der Dachpfanne genau über der Tür, dort, wo er immer gesteckt hatte. Eine neue Tür war eingebaut worden. Die war gelb, in einem helleren Ton als der Rahmen. Disa musste mit beiden Händen zupacken, um sie aufzuziehen. Das Holz war von der Feuchtigkeit aufgequollen. Im Haus roch es feucht und abgestanden. Disa machte Feuer im Herd. Ihre Finger wurden steif in der Kälte. Sie blies sich in die Fäuste, um sie ein wenig zu erwärmen. Es dampfte aus ihrem Mund. In der Holzkiste gab es genug Feuerholz, und sicher war noch mehr im Stall. Aus dem Küchensofa zog Disa eine alte Flickendecke, die war schmutzig und von Mäusen angenagt, aber sie musste reichen. Die Füllung hatte sich in den Ecken zusammengeklumpt, und in der Mitte war die Decke verschlissen und löcherig. Großmutter hatte eine solche Steppdecke gehabt. Gemeinsam hatten sie nach Stoffstücken gesucht, gleich großen Stofffetzen. Überlegt, zu welchen Kleidungsstücken die gehört hatten. Nur zu gern hätte Disa so etwas noch einmal gemacht, das merkte sie, als sie jetzt mit den Stoffresten dastand. Dann starb
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