Und die Goetter schweigen
glauben, dass ich etwas gestohlen habe, Herr Wachtmeister«, begann Edith, die, allein gelassen, mürbe geworden war, ihr Leben und die Anschuldigungen, die vielleicht gegen sie erhoben werden könnten, überdacht hatte. »Ich bin ein ehrbarer Mensch!«, lispelte sie und blickte Hartman forschend an. »Niemand hat Sie wegen irgendetwas beschuldigt«, erwiderte Hartman mild und geduldig. »Wissen Sie, ob Berit Freunde hatte? Irgendjemanden, mit dem sie sich traf, bei dem sie jetzt vielleicht ist?«
»Das glaube ich nicht. Ich war ganz erstaunt, als sie heute Besuch bekam. Erst dachte ich, das wären Jehovas Zeugen oder so jemand. Der Mann vom Elektrizitätswerk, der den Strom abliest, hat ja kein Kind bei sich. Manchmal geht sie zu Frau Wern, die wohnt auf der anderen Seite vom Spielplatz. Wussten Sie das, Herr Wachtmeister?«
»Berits Mutter hatte ein Gehöft in Kronviken. Wissen Sie, ob sie da öfter war, Edith?«
»Bei Berit wusste man nie so genau. Die sagte nie, wo sie hin wollte, und zum Kaffeetrinken reinkommen durfte man auch nicht. Manchmal haben wir bei mir Kaffee getrunken, aber sie hat mich nie eingeladen.«
»Gab es in Kronköping Gegenden, die Berit etwas genauer kannte? Wir haben erfahren, dass sie als Kind den Sommer über hier in Kronköping war. Aber wir haben keine Angaben darüber, wo die Frau wohnte, die sie zwar Großmutter nannte, die aber nicht mit ihr verwandt war.
Ich habe gehört, dass die Frau, nachdem sie beim Jugendamt gearbeitet hatte, in Rente gegangen war und das Mädchen ein paar Jahre lang als Sommerkind bei sich aufgenommen hat. Hat Berit davon erzählt?« Edith entspannte sich und kam sich wichtig vor, wie eine rechtschaffene Mitbürgerin, denn es ging jetzt nicht mehr um ihre eigenen Angelegenheiten. »Sie hat erzählt, dass sie sich unter einer Klippe selbst eine Hütte gebaut hatte, damit niemand sie mehr finden konnte. Sie fand, das sei ein schöner Platz für ein Grab, wie in einer Pyramide würde sie begraben sein. Bei solchem dummen Gerede wollte ich nicht zuhören, da bin rausgegangen aufs … also aufs Klo. Als ich wieder reinkam, haben wir über ihre Schwester gesprochen. Die ist wohl eine bekannte Schauspielerin in Brasilien. Stimmt das?«
»Davon weiß ich gar nichts.«
»Na, und dann hat sie erzählt, ihr Vater sei Diplomat in Indien. Als Kind hat sie in Indien gelebt. Wurde wie eine kleine Prinzessin erzogen mit Dienern und hübschen Kleidern und Kellnern am Tisch. Da zuzuhören war richtig interessant, fand ich.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Ihre Mutter lebt immer noch. Die hat ein Modehaus in Paris. Von dort hat Berit ihr graues Kostüm bekommen. Das sieht schick aus, das sage ich Ihnen, Herr Wachtmeister. Eines Tages wird sie das ganze Modehaus erben. Kann man sich das vorstellen, da wohnt sie hier in einer einfachen Einzimmerwohnung, obwohl sie aus so feiner Familie ist.«
»Ja, das ist eigenartig«, Hartman räusperte sich. »Ich glaube, mein Hals ist etwas trocken«, krächzte Edith und schielte zur Kaffeemaschine hinüber.
»Die Nacht ist lang. Da wollen wir mal eine Tasse aufsetzen«, sagte Hartman zuvorkommend. »Können Sie sich daran erinnern, bei wem Sie gewesen sind und sauber gemacht haben?«
»Ich habe nichts gestohlen! Ich habe nur getan, was ich tun sollte!«
»Klar, darüber haben wir ja schon gesprochen«, bestätigte Hartman schnell, um längeren Verteidigungsreden zuvorzukommen. »Wissen Sie, ob Berit etwas mitgenommen hat, das nicht ihr Eigentum war?« Es klopfte leise, und Arvidssons rote Tolle erschien in der Tür. »Wir haben hier draußen einen Mann, einen Direktor Sved. Er hat was Interessantes zu erzählen. Kann ich ein paar Minuten mit dir sprechen?«
»Genau … Sved. Bei denen haben wir sauber gemacht.« Edith strahlte, aber dann ließ ihr Eifer schnell nach, als sie erkannte, wessen man sie würde beschuldigen können.
»Wir lassen nach dem Mercedes suchen. Der Direktor war in der Goldenen Taube plötzlich völlig blank, kann man sagen.« Arvidsson schob mit den Fingern seine Tolle auseinander, um Blickkontakt zu seinem Kollegen zu bekommen. »Er wollte mit seiner Scheckkarte bezahlen. Das Konto war überzogen und die Karte gesperrt. Über zwanzig Gäste hatte er eingeladen, die müssen dort jetzt wohl spülen. Außerdem ist aus seinem Haus Schmuck im Wert von 100000 Kronen verschwunden. Der war in einem verschlossenen Tresor aufbewahrt. An dem Tresor sind keine Spuren von Gewaltanwendung, was darauf hindeutet, dass
Weitere Kostenlose Bücher