Und die Goetter schweigen
den Knöpfen die französische Lilie eingebrannt war. Ruhig und vorsichtig versuchte er Maria seine Entdeckung zu zeigen, doch sie war nicht ansprechbar. Es dauerte ungefähr drei Minuten, bis sie eingesehen hatten, dass die kleine Einzimmer-Wohnung leer war, dass sie an allen Stellen nachgesehen hatten, an denen man ein kleines Kind verstecken konnte. »Linda!« Marias Stimme wurde von heiserem Weinen erstickt. »Linda!« Maria hatte mit einem stillen Gebet auf den Lippen sogar den Tiefkühlschrank aufgemacht. Auf dem Fensterbrett standen drei kleine Holzfiguren und lachten die Verfolger höhnisch an. Ganz rechts hatte Berit ihre Ringe auf den wurmartigen Penis des Gottes Freyr gehängt. Maria sah sich in dem Zimmer um. Auf dem Küchentisch lag der neueste Katalog eines Reisebüros. Eine braun gebrannte und lächelnde junge Frau in minimalem Bikini räkelte sich am Strand. Maria erstickte einen Schrei mit der offenen Hand. Arvidsson sah und begriff, im nächsten Augenblick hatte er das Handy in der Hand. »Ist Hartman schon gekommen? Hallo! Du weißt, was passiert ist? Wir sind in Smedjegränd, im Nachbarhaus … na klar! Überwachung aller Flugplätze so schnell wie möglich! Foto des Mädchens? Maria sagt, dass sie eins auf ihrem Schreibtisch hat. Sie ist hier, ja. Wir nehmen die Nachbarsfrau und den Reisekatalog und kommen runter … Türkei, in erster Linie alle Abflüge in die Türkei.«
»Wann, sagen Sie, hatte Berit Besuch?« Edith strahlte, glücklich, wieder im Zentrum zu stehen. »Das war vor etwa einer Stunde. Ich habe Kaffee aufgesetzt, und dann habe ich meine Strümpfe im Handwaschbecken eingeweicht, dann habe ich meine Myrte begossen, eine Myrte darf nie austrocknen …«
»Was war das für Besuch? War es ein Mann oder eine Frau?«
»Das war ein Mann. Der sah gut aus, glauben Sie mir, Herr Wachtmeister. Er hatte einen blauen Wollmantel an, einen richtigen langen Mantel, und eine karierte Mütze. Als er sich umdrehte, sah ich, dass er ein kleines Kind auf dem Arm hatte. Die Kleine hatte einen roten Overall an und so eine kecke Mütze mit kleinen Bällen drauf, wie sie die heutzutage haben. Die sehen bei kleinen Mädchen so niedlich aus, finde ich. Finden Sie nicht auch?«
»Waren die in der Wohnung?«, fuhr Arvidsson fort, ohne auf Ediths Frage einzugehen. »Ich hörte Schlüssel rasseln und wie die Tür geschlossen wurde. Das war, als sie herauskamen. Da habe ich durch den Spion geguckt, und da waren sie. Eigentlich habe ich von ihm nur den Rücken gesehen, aber das war ein eleganter Herr, sicher vermögend. Einen so feinen Mantel kauft man nicht gerade im Ausverkauf, oder was glauben Sie, Herr Wachtmeister?« Arvidsson drehte und wand sich verlegen. Ediths Art und Weise, die Antworten mit einer Frage zu beenden, machte ihn wütend. In seiner Kindheit hatte er gelernt, stets brav zu antworten, wenn er von älteren Menschen angesprochen wurde, und diese Angewohnheit abzulegen fiel ihm schwer, auch wenn er so wie jetzt unter erheblichem Druck stand. »Ich muss Sie bitten, mit runter auf die Wache zu kommen, dann können wir uns dort noch ein wenig unterhalten«, schlug er vor. »Von Herzen gern. Bei solch schönem Wetter fährt man doch gern ein Stück mit dem Auto, nicht wahr, Herr Wachtmeister?«
Sie brauchte die Spannung. Das war wie ein Gift im Blut, unwiderstehlich. Sicher hätten sie auch ein Taxi zum Flugplatz nehmen können, das wäre auch nicht ganz ohne Risiko gewesen, aber das war doch überhaupt nicht zu vergleichen mit dem Dahingleiten in einem soeben gestohlenen Mercedes neuesten Modells. Disa schob die Mütze im Rückspiegel zurecht und lächelte ihr Spiegelbild an. Direktor Sved würde sich sicherlich wundern. Er hatte es wahrscheinlich noch gar nicht bemerkt, dass der Reserveschlüssel für sein Auto nicht mehr da war. Putzfrauen sind eine unsichtbare Gattung. Nicht wert, dass man sie grüßt, und darum nicht vorhanden. Nicht mal den Lohn hatte er ihnen in die Hand gedrückt. Nein, das hatte die Frau getan. So diskret wie möglich. Ein verstohlener Blick. Ein zugeklebter Umschlag. So wurde das gemacht. Genau so wie in den Kontaktanzeigen: volle Diskretion. Sie war nie dort gewesen und würde hinterher niemals sagen können, dass Direktor Sved eine miserable Trefferquote beim Zielen in die Toiletten-Schüssel hatte. Linda schlief hinter dem Sitz unter einer Decke. Wenn jemand durch die Scheibe hineinsah, würde er sie kaum wahrnehmen, so zusammengerollt lag sie auf dem Boden. Das
Weitere Kostenlose Bücher