Und die Goetter schweigen
liegen?«, wollte Maria wissen.
Disa stach das Messer von unten in die Tischplatte, trank den Schnaps in einem Zug aus und bestellte einen neuen. Die große Wut kündigte sich an. Die um das Glas gespannten Knöchel wurden weiß. »Du darfst nicht mit uns mitkommen, Irren-Fia!«, riefen die Erinnerungen von damals. »Geh nach Hause in deinen ekligen Schweinestall, Piss-Lisa.« Sie war abgewiesen worden! Die Frau, die sie auf das Parkett hatte führen wollen, hatte sich bedankt und war zurückgegangen, als ihr Kavalier aufgetaucht war. Sie war sitzen gelassen worden, war übrig geblieben. »Schäm dich, schäm dich, keiner will dich haben.« Disa hielt sich krampfhaft an der Tischplatte fest. Niemand weist eine Göttin ab – niemand! Der blöde Schnösel von Mann saß da und hielt die Hände der Frau, mit einem Gesichtsausdruck so lächerlich liebeskrank, dass er Vidars schlimmste Säufermiene 5:0 geschlagen hätte. Die lachten! Über wen lachten sie? Niemand lacht ungestraft über Disa! NIEMAND! Das Glas splitterte in ihrer Hand. Das Blut färbte das weiße Leinentuch. Aber die Schmerzen in der Hand erreichten das Bewusstsein nicht. Disa riss das Messer los. Mit entschlossenen Schritten ging sie an den Tisch hinüber und drückte die Schneide des Messers an den Hals des dümmlich lächelnden Mannes. »Raus«, zischte sie. »Geh raus und kämpfe wie ein Mann!«
»Disa Månsson?!« Kriminalinspektor Ek fiel das Glas aus der Hand auf den Tisch. Der Wein breitete sich rot zwischen den Tellern aus. Er war unbewaffnet. »Steh langsam auf. Geh aus dem Restaurant. Geh vor mir, dicht vor mir.« Ek starrte in Disas schmale schwarze Augen, sah ihre Oberlippe vor Wut und Entschlossenheit vibrieren. Die Frau neben ihm keuchte entsetzt. Reflexartig hob Ek den Arm und schlug nach Disas Hand. Mit einem erstickten Schrei fiel er vor Schmerz in sich zusammen. Disa zog ihr Messer aus seinem Bauch und rannte los. Niemand lief ihr nach. Der Muskelprotz in der Garderobe starrte der grauen Gestalt, die von der Dunkelheit verschluckt wurde, dümmlich hinterher. Ein Auto startete auf dem Parkplatz. Das Motorengeräusch erstarb in der Nacht.
33
Maria sah die glühende Ruine dessen, was bis zum Nachmittag ihr Zuhause gewesen war. Der Mauersockel stand noch, schwarz und fest. Der Rest des alten Holzhauses lag in Schutt und Asche. Gott sei Dank waren sie hinausgekommen, zum Glück hatte Emil im Schlafzimmer bei Krister geschlafen. Die Schwiegermutter hatte wohl auf dem Wohnzimmersofa gelegen. Sie hatte geglaubt, aus dem Kinderzimmer das Geräusch von Ratten zu hören, und hatte die Tür aufgemacht. Ihre Kleidung hatte sofort Feuer gefangen. Krister hatte die Tür wieder zugeschlagen und sie in den Wohnzimmerteppich gewickelt. Alle drei hatten es nach draußen geschafft, bevor der Rauch sie eingehüllt hatte. Sie lebten! Alles, was sich im Laufe der Jahre angesammelt hatte, Kleidung, Möbel, Erinnerungsstücke, war weg. Am schlimmsten von allem war es mit den Fotos. Die waren unersetzlich! Dankbar dachte Maria an die Bilder, die sie an die Großeltern der Kinder verteilt hatte. Die waren jedenfalls erhalten. Linda als Baby. Die Brust tat ihr weh vor Sehnsucht nach Linda. Wo bist du, mein Herz? Maria biss sich in die Hand, um nicht laut losschreien zu müssen. Der Arzt aus dem Krankenhaus hatte sich gemeldet, nachdem er seine Patientin im Fernsehen gesehen hatte. Er hatte sich an die Medien gewandt, hatte den Zustand des Kindes beschrieben, hatte Disa angefleht, das Kind zurückzugeben. Aber sie hatten keinen Ton gehört. Maria konnte nur hoffen, dass sie Radio hörte, dass sie sich zumindest um die Kleine kümmerte. Die einzige Antwort, die sie erhalten hatten, war der Brand. Wenn Disa sie so sehr hasste, wie behandelte sie dann Linda? War das als ein Mordbrand geplant gewesen? Maria wurde plötzlich schwindelig, und sie übergab sich in den Schnee. Die Tränen flossen, der Rauch brannte in den Augen. Die Müdigkeit benebelte ihre Gedanken. Wenn nur Linda am Leben war!! Alles andere war unwesentlich. Maria stieg in den weißen Ford. Sie musste zurück, jeden Tipp aus der Öffentlichkeit verfolgen. Arbeiten, bis alle Kraft zu Ende war, nicht aufgeben. Niemals aufgeben!
»Das ist nicht möglich. Er muss sich geirrt haben.« Ragnarsson-Sturm marschierte im Besprechungsraum auf und ab. »Er war wegen des Blutverlusts vielleicht nicht ganz bei Bewusstsein, übermüdet, im Schock oder angetrunken. Das kann gar nicht stimmen! Sein Bewusstsein muss
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