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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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Das Haus hatte kein Telefon, und von seinen Kollegen wußte niemand, wo das Haus eigentlich lag. Sein Hobby war es, Holz zu hacken, aber ausgerechnet in diesem Sommermonat hatte er sich vorgenommen, ein neues zweisitziges Klo zu bauen. Davon wußten aber nur er und seine verblüffend häßliche und hochgewachsene Frau.
    Im übrigen hätten auch Martin Beck und Mänsson in dieser Woche ihren Sommerurlaub antreten sollen, und das Wissen darum, daß sie ihn auf unbestimmte Zeit würden verschieben müssen, spiegelte sich in ihren düsteren Mienen wider.
    An diesem Montag mußten jedoch die Verhöre über die Bühne gehen, obwohl keiner von ihnen wußte, wie das eigentlich vor sich gehen sollte. Martin Beck rief in Stockhohn an, und es gelang ihm, Kollberg nach vielen Wenn und Aber dazu zu bewegen, Hampus Broberg und Helena Hansson zu übernehmen.
    »Was soll ich sie denn fragen?« erkundigte sich Kollberg betrübt.
    »Keine Ahnung.«
    »Wer leitet eigentlich diese Ermittlungen?«
    »Ich.«
    »Und dann weißt du das nicht einmal? Wie, zum Teufel, soll ich es denn wissen?«
    »Ich möchte ein Bild von der allgemeinen Lage haben.«
    »Der allgemeinen Lage? Die ist schlecht. Ich sterbe bald an einem Hitzschlag.«
    »Was uns fehlt, ist ein Motiv. Oder richtiger gesagt, wir haben zu viele, unter denen wir uns eines aussuchen dürfen. Vielleicht kann die Stimmung im Palmgrenschen Konzern uns auf die richtige Fährte bringen.«
    »Möglich«, sagte Kollberg zweifelnd. »Diese Hansson, diese Sekretärin, sieht die gut aus?«
    »Es wird behauptet.«
    »Na, das ist ja immerhin etwas. Tschüs dann.«
    Martin Beck wäre beinahe ein »Laß von dir hören« entschlüpft, aber er verbiß es sich im letzten Augenblick. »Tschüs«, sagte er lakonisch und legte auf. Er sah Mänsson an und sagte: »Kollberg übernimmt die Stockholmer Zeugen.«
    Mänsson nickte und sagte: »Ja, er ist ein guter Mann.«
    Kollberg war mehr als das, aber Mänsson kannte ihn nicht so gut wie Martin Beck.
    In Wahrheit war Kollberg der einzige, dem Martin Beck uneingeschränkt vertraute, ein Mann mit sicherem Urteil, unbedingt fähig, auf eigene Faust mit allem fertig zu werden, überdies mit Phantasie begabt, systematisch und von unerbittlicher Logik. Sie hatten lange Jahre zusammengearbeitet und verstanden einander auch ohne viele Worte.
    Mänsson und Martin Beck schwiegen eine Weile und blätterten lustlos in ihren Papieren. Kurz nach neun standen sie auf und gingen zu Mänssons Wagen hinunter, der auf dem Hof geparkt war.
    Jetzt, am Montagvormittag, waren die Straßen etwas belebter, trotzdem brauchte Mänsson nicht mehr als zehn Minuten, um zu dem Hochhaus im Hafengebiet zu gelangen, in dem Viktor Palmgren sein schwedisches Hauptbüro gehabt hatte und in dem jetzt Mats Linder wohl präsidieren würde.
    Mänsson parkte höchst gesetzeswidrig und klappte die Sonnenblende herunter, auf der ein rechteckiges Pappschild mit der säuberlich aufgemalten Inschrift POLIZEI angebracht war.
    Sie nahmen den Fahrstuhl bis zum siebten Stock und kamen dort in einen großen Vorraum mit leuchtend rotem Teppichboden und Seidentapeten an den Wänden. Mitten im Raum stand ein niedriger Tisch, der von bequemen Sesseln umgeben war. Auf der Tischplatte lag ein Stapel Zeitschriften, meist ausländische, aber auch Svensk Tidskrift und Veckans affärer befanden sich darunter. Außerdem standen zwei große Kristallaschenbecher auf dem Tisch, ein Kästchen aus Teakholz mit Zigarren und Zigaretten, ein Tischfeuerzeug aus Ebenholz sowie eine schwere Orrefors-Vase mit roten Rosen. Links in der Ecke, an einem langgestreckten Schreibtisch, saß eine blonde Empfangsdame von etwa zwanzig Jahren, die ihre spiegelblanken Fingernägel prüfend betrachtete.
    Vor sich hatte sie eine Gegensprechanlage, zwei Telefonapparate und eine Schreibunterlage, auf der ein Notizblock und ein vergoldeter Füller lagen.
    Sie hatte die Figur eines Mannequins, die in einem superkurzen weißen Kleid steckte. Die Strümpfe waren schwarz und zeigten ein ausgeklügeltes durchbrochenes Muster. An den Füßen trug sie elegante schwarze Schuhe mit Silberschnallen. Ihr Make-up bestand aus einem fast weißen Lippenstift und hellblauem Lidschatten. Überdies trug sie lange silberne Ohrringe und zeigte blendendweiße, gleichmäßige Zähne. Die Augen waren von klarem Blau und blickten unintelligent unter langen, dunklen und falschen Wimpern hervor. Wenn man es so haben will, ist sie eigentlich tadellos, dachte Martin

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