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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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hat es recht schwer gehabt«, sagte die Frau und berührte leicht ihr blondes Haar. »Aber sie hat immerhin einen respektablen Beruf und eine eigene Zahnarztpraxis.«
    Gunvald Larsson sagte nichts. Er folgte ihr in ein elegantes und sehr großes Wohnzimmer. Auf einem niedrigen Tisch stand ein silbernes Teeservice, und auf dem Sofa saß eine große schlanke Frau mit braunem Haar, die an einem englischen Keks knabberte.
    »Dies ist mein ältester Bruder«, sagte die Blonde. »Leider. Gunvald heißt er. Er ist… Polizist. Früher war er nur ein Raufbold. Ich habe ihn vor zehn Jahren zum letztenmal gesehen und davor auch nur sehr selten.«
    »Hör mal, jetzt benimm dich mal anständig«, sagte Gunvald Larsson.
    »Das sagst ausgerechnet du? Wo bist du denn zum Beispiel in den sechs Jahren gewesen, die Papa noch zu leben hatte?«
    »Ich bin zur See gefahren. Ich habe gearbeitet. Und das ist mehr, als man von jedem anderen Mitglied dieser Familie sagen kann.«
    »Du hast uns mit der ganzen Verantwortung sitzenlassen«, sagte sie bitter.
    »Und wer hat sich das ganze Geld unter den Nagel gerissen? Und alles andere?«
    »Du hattest dein Erbteil schon verjubelt, bevor man dich unehrenhaft aus der Marine entließ«, sagte sie eiskalt.
    Gunvald Larsson sah sich um. »Pfui Teufel«, sagte er.
    »Was meinst du?«
    »Genau das, was ich sage. Pfui Teufel. Wo kommt zum Beispiel dieser einen halben Meter hohe silberne Hahn her?«
    »Aus Portugal, den haben wir in Lissabon bei einer Kreuzfahrt um die Welt gekauft.«
    »Was hat das Ding gekostet?«
    »Ein paar tausend«, sagte sie gleichgültig. »Ich weiß es nicht mehr so genau. Wie nennst du dich jetzt? Konstabler?«
    »Erster Kriminalassistent.«
    »Papa würde sich im Grab umdrehen. Du hast es also noch nicht einmal geschafft, Kommissar zu werden oder wie man das nennt. Wieviel verdienst du?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Was hast du hier zu suchen? Willst du mich vielleicht anpumpen? Es würde mich jedenfalls nicht wundern.« Sie sah ihre Freundin an, die der Auseinandersetzung schweigend folgte, und fügte sachlich hinzu: »Seine Frechheit ist nämlich schon immer einzigartig gewesen.«
    »Das stimmt«, sagte Gunvald Larsson und setzte sich. »So, jetzt hol mir eine Tasse.«
    Sie verließ das Zimmer. Gunvald Larsson sah die Jugendfreundin mit einem Anflug von Interesse an. Sie erwiderte den Blick aber nicht, und keiner von ihnen sagte etwas.
    Seine Schwester kam mit einem Teeglas in einem Silberhalter zurück, das sie auf einem fein ziselierten silbernen Tablett hereintrug. »Was hast du hier eigentlich zu suchen?« fragte sie.
    »Das weißt du schon. Du sollst mir jedes kleine bißchen von dem erzählen, was du über diesen Broberg und seinen Chef weißt, der Palmgren hieß und am Mittwoch gestorben ist.«
    »Gestorben?«
    »Ja. Liest du keine Zeitung?«
    »Das tue ich vielleicht. Aber das dürfte dich kaum etwas angehen.«
    »Er wurde übrigens ermordet. Erschossen.«
    »Ermordet? Erschossen? Sag mal, was sind das eigentlich für widerwärtige Dinge, mit denen du dich beschäftigst?«
    Gunvald Larsson goß sich ungerührt Tee ein.
    »Im übrigen habe ich schon geantwortet. Ich spioniere meinen Nachbarn nicht nach. Und das habe ich schon diesem Tölpel gesagt, den du mir heute morgen auf den Hals geschickt hast.«
    Gunvald Larsson trank einen Schluck Tee. Dann setzte er das Glas mit einem Knall ab. »So, jetzt ist Schluß mit dem Getue, mein Kind. Du bist neugierig wie sonstwas, und das schon, seitdem du gehen gelernt hast. Du weißt bestimmt eine verdammte Menge über diesen Broberg. Und auch über Palmgren, was das betrifft. Und ich bin davon überzeugt, daß du und deine Ratte von Mann alle beide kennt. Ich habe eine recht genaue Vorstellung davon, wie es in euren vornehmen Kreisen zugeht.«
    »Es nützt dir gar nichts, wenn du ordinär wirst. Ich sage nämlich nichts. Dir schon gar nicht.«
    »O doch, das wirst du tun. Sonst…« Er verstummte.
    Sie sah ihn spöttisch an. »Was sonst?«
    »Sonst schnappe ich mir einen uniformierten Polizeibeamten aus dieser Gegend und gehe im Umkreis von einem Kilometer in jedes Haus und stelle mich vor und erzähle allen Leuten, daß meine Schwester so dämlich und aufgeblasen ist, daß ich fremde Menschen um Hilfe bitten muß.«
    Sie starrte ihn sprachlos an. Schließlich sagte sie mit erstickter Stimme: »Meinst du etwa, du hättest die Stirn…«
    »Du kannst einen drauf lassen, daß ich das meine. Du solltest also lieber gleich die

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