Und die Großen lässt man laufen
Schreibtisch nieder. Er lehnte sich zurück und griff nach der brennenden Zigarre, die in bequemer Reichweite in einem Aschenbecher lag. »Nun, meine Herren, ich nehme an, es geht um den armen Viktor. Haben Sie den Schuldigen gefaßt?«
»Nein, noch nicht«, sagte Martin Beck.
»Ich habe sicher nicht mehr zu sagen als damals an diesem unseligen Abend in Malmö, als wir alle verhört wurden. Alles geschah im Verlauf weniger Sekunden.«
»Aber Sie haben den Mann gesehen, der auf Viktor Palmgren schoß, nicht wahr?« sagte Mänsson. »Sie saßen ihm zugewandt.«
»Das ist richtig«, sagte Hoff-Jensen und zog an seiner Zigarre. Er dachte kurz nach, bevor er fortfuhr: »Aber ich habe den Mann erst bemerkt, als der Schuß fiel, und dann dauerte es einen Augenblick, bis mir klar wurde, was geschehen war. Ich sah, wie Viktor auf den Tisch fiel, begriff aber nicht gleich, daß er angeschossen worden war, obwohl ich natürlich den Schuß gehört hatte. Dann sah ich den Mann mit dem Revolver - ich glaube, es war ein Revolver -, der zum Fenster rannte und verschwand. Ich war völlig überrumpelt und hatte keine Zeit, mir sein Aussehen einzuprägen. Also, meine Herren, Sie sehen, ich bin Ihnen keine große Hilfe.« Er breitete die Anne aus zu einer Geste des Bedauerns und ließ sie dann auf die Armlehnen fallen.
»Aber Sie haben den Mann immerhin gesehen«, sagte Martin Beck.
»Irgendeinen Eindruck müssen Sie doch von ihm haben.«
»Nun, wenn ich etwas über ihn sagen soll: Er war etwa mittleren Alters und hatte recht dünnes Haar. Ich glaube, sein Gesicht habe ich nicht gesehen, denn als ich aufsah, drehte er mir schon den Rücken zu. Er muß recht gut in Form gewesen sein, der Art nach zu urteilen, wie er so blitzschnell durchs Fenster sprang.« Er beugte sich vor und drückte die Zigarre im Aschenbecher aus.
»Und Ihre Frau?« fragte Mänsson. »Ist ihr etwas Besonderes aufgefallen?«
»Leider nicht«, erwiderte Hoff-Jensen. »Meine Frau ist eine sehr empfindsame und schwache Frau. Sie erlitt einen ernsten Schock, und es dauerte mehrere Tage, bis sie einigermaßen darüber hinweg war. Überdies saß sie neben Viktor und folglich ebenfalls mit dem Rücken zum Täter. Sie bestehen doch nicht darauf, sie zu verhören?«
»Nein, das wird sicher nicht notwendig sein«, sagte Martin Beck.
»Sehr liebenswürdig von Ihnen«, sagte Hoff-Jensen und lächelte.
»Ja, dann wäre wohl…« Der Mann griff an die Armlehnen, als wollte er sich hochstemmen, aber Mänsson kam ihm zuvor: »Ich habe noch ein paar Fragen, wenn Sie erlauben.«
»Ja?«
»Seit wann sind Sie Chef dieser Firma?«
»Seitdem sie vor elf Jahren gegründet wurde. In meiner Jugend war ich Pilot, später habe ich mich in den USA zum Werbefachmann ausbilden lassen. Ich war anschließend Werbechef einer Fluggesellschaft, bevor Viktor mich hier in Kopenhagen zum Geschäftsführer von Aerofragt machte.«
»Und jetzt? Machen Sie trotz des Todesfalles normal weiter?« Hoff-Jensen breitete die Arme aus und zeigte seine schöne Zahnprothese.
»The show must go on.«
Es wurde still im Raum. Martin Beck schielte zu Mänsson hinüber, der noch tiefer in seinen Sessel gerutscht war und mit Widerwillen auf eine Golfausrüstung mit zahlreichen Schlägern starrte, die neben dem Kachelofen stand. »Wer wird jetzt die Leitung des Konzerns übernehmen?«
erkundigte sich Martin Beck.
»Das ist die Frage«, sagte Hoff-Jensen. »Der junge Linder ist wohl noch etwas zu grün. Und Broberg, nun ja, ich würde sagen, der hat ohnehin alle Hände voll zu tun.«
»Wie war Ihr Verhältnis zu Direktor Palmgren?«
»Sehr gut, möchte ich sagen. Er hatte volles Vertrauen zu mir und meiner Art, die Firma zu führen.«
»Und womit beschäftigt sich Aerofragt?« fragte Martin Beck und wußte sofort, wie die Antwort lauten würde.
»Mit Luftfracht, wie der Name schon sagt«, erwiderte Hoff-Jensen. Er hielt Mänsson und Martin Beck ein Zigarrenkästchen hin, und als beide den Kopf schüttelten, nahm er sich selbst eine Zigarre und zündete sie an. Martin Beck steckte sich eine Florida an, blies den Rauch aus und sagte: »Ja, ja, das ist mir schon klar, aber um was für Frachtgut handelt es sich? Sie haben fünf Maschinen, nicht wahr?«
Hoff-Jensen nickte und studierte die Glut seiner Zigarre. Dann sagte er: »Das Frachtgut besteht hauptsächlich aus konzerneigenen Produkten, vor allem also aus Fischkonserven. Eine der Maschinen ist außerdem mit einem Kühlraum ausgerüstet. Zeitweilig
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