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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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an die Brust hefteten, waren ja leicht auszumachen, selbst wenn sie nicht in Gruppen auftraten, aber es erschwerte die Arbeit ungemein, daß einige infamerweise glattrasiert, mit anständigen Frisuren und manierlichen Anzügen herumliefen, während sie Flugblätter und Kampfschriften aus schwarzen Aktenkoffern verteilten. Diesem Umstand war es zwar zu verdanken, daß man selbst nicht gezwungen war, sich beim Verkleiden zu irgendwelchen unhygienischen Absonderlichkeiten zu versteigen, aber irritierend war es dennoch.
    Der Oberkellner trat zu ihm an den Tisch. »Hat es Ihnen geschmeckt?« fragte er. Er war nicht sehr groß, hatte kurzgeschorenes Haar und ein humorvolles Blitzen in den Augen. Er war sicher eine etwas alertere und zugänglichere Figur als der Kellner.
    »Danke, ausgezeichnet«, entgegnete Paulsson. Dann kam er sehr rasch auf das Thema zu sprechen, das ihm am Herzen lag. »Ich habe gerade über das nachgedacht, was am Mittwoch passiert ist. Waren Sie an diesem Tag hier?«
    »Ja, ich hatte abends Dienst. Entsetzliche Geschichte. Und den Täter haben sie noch immer nicht gefaßt.«
    »Haben Sie ihn gesehen?«
    »Na ja, es ging ja alles ziemlich schnell. Als er das Restaurant betrat, war ich noch nicht hier im Saal. Ich kam erst, als er schon geschossen hatte. Ich habe ihn also sozusagen nur aus dem Augenwinkel gesehen.«
    Paulsson kam ein Geistesblitz. »Sagen Sie mal, war es vielleicht ein Farbiger?«
    »Verzeihung?«
    »Na ja, ein Neger, wenn ich mich im Klartext ausdrücken soll. War es vielleicht ein Neger?«
    »Nein, warum sollte es ein Neger gewesen sein«, sagte der Oberkellner mit ungeheuchelter Verwunderung.
    »Es gibt ja sehr hellhäutige Neger, wie Sie vielleicht wissen. Die eigentlich gar nicht wie Neger aussehen, wenn man nicht sehr genau hinsieht.«
    »Das ist mir wirklich ganz neu. Immerhin haben ja einige Leute den Mann viel besser gesehen als ich, und einem von denen hätte es doch schon auffallen müssen, wenn es sich um einen Neger gehandelt hätte. Und die hätten es bestimmt auch gesagt. Nein, es war bestimmt kein Neger.«
    »Schon gut«, sagte Paulsson. »Es war ja auch nur ein Gedanke, der mir so eingefallen ist.«
    Den Sonnabendabend verbrachte Paulsson in der Bar, wo er eine große Zahl der verschiedensten alkoholfreien Getränke zu sich nahm.
    Als er seinen sechsten Drink, eine Pussyfoot, bestellte, machte sogar der Barkeeper, der sonst nicht leicht aus der Fassung zu bringen war, ein erstauntes Gesicht.
    Am Sonntagabend war die Bar geschlossen, so daß Paulsson sich draußen im Foyer aufhielt. Er schlug immer engere Bogen um die Rezeption, aber der Portier schien sehr beschäftigt, telefonierte, blätterte in der Gästeliste, half einigen Gästen und eilte von Zeit zu Zeit in irgendeiner eiligen Sache mit erhobenen Ellbogen und wehenden Rockschößen davon. Schließlich hatte Paulsson Gelegenheit, ein paar Worte mit ihm zu wechseln, fand aber keine einzige seiner Theorien erhärtet. Der Portier verneinte mit allem Nachdruck, daß der Täter ein Neger gewesen sei.
    Paulsson beschloß den Tag mit einem Pusztaschnitzel im Grill. Das Publikum dort war erheblich zahlreicher und jugendlicher als im Restaurant, und an den Nachbartischen wurden einige interessante Gespräche geführt, denen er aufmerksam zuhörte. Am Tisch nebenan sprachen zwei Männer und ein Mädchen über Dinge, von denen Paulsson zu seinem großen Ärger kein bißchen kapierte, aber einmal kamen sie auch auf den Mord an Viktor Palmgren zu sprechen.
    Der jüngste der Männer, ein rothaariger Bursche mit langen Haaren und mächtigem Bart, drückte seine Verachtung für den Verstorbenen sowie seine Bewunderung für den Täter aus. Paulsson prägte sich sein Aussehen sehr genau ein.
    Der nächste Tag war ein Montag, und Paulsson beschloß, seine Fahndung auf Lund auszudehnen. In Lund gab es Studenten, und wo Studenten sind, gibt es auch linksradikale Elemente. Oben in seinem Zimmer hatte Paulsson lange Namenlisten von Personen in Lund, die er im Verdacht hatte, linksextreme Ansichten zu vertreten.
    Am Nachmittag also nahm er den Zug in die Universitätsstadt, die er noch nie besucht hatte, und begab sich in die Stadt, um die Studenten zu suchen. Es war heißer denn je, und Paulsson schwitzte in seinem karierten Anzug. Er fragte sich bis zur Universität durch, die im Sonnenglast tot und verlassen dalag.
    Irgendwelche revolutionären Aktivitäten waren nicht festzustellen. Paulsson fiel das Bild von Mao ein, das ihn im

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